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Analog 07

Analog 07

Titel: Analog 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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der Stelle starb.
    (Klingt kalt, gefühllos, ist es aber nicht. Mama merkte schon lange vorher die Anzeichen, wußte fast auf den Tag, wann sie uns wohl verlassen mußte. Bereitete mich mit Klugheit, Verständnis und Liebe darauf vor. Betrachtete ihren Weggang als unvermeidliche, aber wunderbare Gelegenheit, als Abenteuer, sagte, sie sei bereit, vernünftiges Bedauern über verdorbene Pläne und ungetane Dinge zu akzeptieren, sogar zu entschuldigen, aber keinen Kummer. Verglich Kummer über den Tod eines Freundes mit Neid auf das Glück des Freundes, betrachtete ihn als egoistische Reaktion, sagte, man trauere um sich selbst, nicht um den Freund. Verglich eigenen Fortgang mit wunderbarer Reise; „verdorbene Pläne“ mit der Beendigung von Streitigkeiten über Kino, Picknick oder Schwimmen im See. Außerdem übertrug sie mir große Verantwortung: Gab mir den Auftrag, „auf Daddy aufzupassen“. Erklärte mir, daß er viele ausgearbeitete Pläne für uns drei hatte, viel mehr, als sie oder ich hatten. Würde wesentlich enttäuschter sein, mehr Bedauern darüber verspüren als ich, daß er sie nicht mehr ausführen konnte. Würde Liebe brauchen, Verständnis für die Zeit, die er brauchte, um die Pläne für uns zwei Hinterbliebene umzuändern. Sie bearbeitete mich so gut, daß ich wirklich nicht unter dem Verlust litt und trauerte, vermißte sie nur, als sie fort war, und hoffte, daß es ihr gutging.)
    Am Morgen von Daddys Reise wachte ich mit erstaunlichen Gedanken auf – wollte nicht, daß er ging. Mochte den Gedanken, drei Tage allein zu bleiben, nicht, mochte aber auch den Gedanken nicht, daß er drei Tage allein sein sollte. Lag im Bett und versuchte, dieses beunruhigende Gefühl loszuwerden. Oder wenigstens zu identifizieren. Konnte weder das eine noch das andere, hatte noch nie solche Ahnungen gehabt. Unbestimmtes Gefühl, unterhalb des Bewußtseinspegels, aber eindringlich. Noch vervielfältigt durch einen realen Faktor, konnte man es fälschlicherweise für Angst halten, nein, genaugenommen nicht Angst, eher für ein gesichtsloses, schreiendes Entsetzen.
    War jedoch reine Dummheit, gab nichts, wovor man sich fürchten mußte. Mrs. Hartmann konnte tagsüber in dem Büro im Vorderhaus arbeiten, Haus wurde nachts verschlossen, mit der zusätzlichen Sicherheit, die einige gewiß nicht kleinstädtische Geräte boten, die Daddy kürzlich hatte einbauen lassen. Dazu gute Nachbarn auf allen Seiten, die über das Telefon am Bett oder einen einzigen lauten Schrei erreichbar waren.
    Außerdem, war ich nicht Candy Smith-Foster, Landesmeister, der Fluch des Kurses für die bis zu Zwölfjährigen, die zweitgefährlichste Sterbliche innerhalb eines Kreises mit dem Radius von etwa 350 km? (Kannte jetzt auch Einzelheiten über das „Stolpern“ der Fiesen Vier und zweifelte daran, ob sie so glimpflich davongekommen wären, wenn ich dazwischengegangen wäre.)
    Doch, ich war. Befahl meinem Gefühl also zu verschwinden. Wusch mich, zog mich an, ging hinunter, um mit Daddy zu frühstücken.
    Verhalten beim Abschied bewundernswert, Vorstellung reif für die Endrunde eines Wettbewerbs mit dem Titel: „Das unbewegteste Gesicht des Jahres“. Lediglich eine Umarmung, ein Kuß, meine Bitte an ihn, in der Hauptstadt nicht in Schwierigkeiten zu geraten, und wenn doch, mich schnellstens anzurufen, würde dann kommen, um ihn zu retten: Würde Schädel zertrümmern, Knochen brechen, mögliche Gegner fürchterlich niedermachen. Gefühlsduselei wurde erwidert mit inniger Umarmung, einer gleichlautenden Warnung für mich während seiner Abwesenheit (allerdings etwas würdevoller geäußert).
    Dann schloß sich die Tür der regierungseigenen, chauffeurgesteuerten, polizeieskortierten Limousine hinter ihm, der Wagen trat den langen, dunklen Weg die Straße hinunter an und verschwand um die Ecke.
    Verbrachte den Vormittag in der Schule, unterrichtete am Nachmittag im YMCA, hatte anschließend selbst Unterricht beim Meister. Kam schließlich nach Hause, das jetzt bis auf Terry (der seine Mißbilligung darüber, den ganzen Tag allein gelassen worden zu sein, lauthals äußerte) verlassen war: Mrs. Hartmann hatte ihre Arbeit für heute beendet, war nach Hause gegangen. Beruhigte Zwilling, indem ich ihm den Kopf kraulte, setzte ihn auf meine Schulter (liebte es, bei Hausarbeiten zu helfen, aber Einwilligung dazu bedeutet dreimal mehr Arbeit, als alles alleine zu erledigen – erfordert Arbeiten auf Armeslänge Entfernung, außerhalb seiner

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