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Analog 07

Analog 07

Titel: Analog 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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„Angriff gemeldet“ zu flackern.
    Problem dabei, ein Genie zu sein, ist die Neigung, immer gründlich nachzudenken, über verborgene Bedeutungen nachzugrübeln und das Offensichtliche zu übersehen. Fing Terry wieder ein (der wie üblich beim ersten lauten Ton hilfesuchend geflohen war), kraulte seinen Kopf, um meine Nerven zu beruhigen. Zwilling wiederholte mehrmals: „Oh, wie schlimm !“, grub mir seine Klauen in die Schulter, schlug mit den Flügeln, um zu zeigen, daß er sich wirklich gefürchtet hatte. Bat ihn, ruhig zu sein und den Schnabel zu halten, wollte über die Bedeutung der Schalttafel nachdenken.
    Beeindruckend. Daddy mußte wirklich eine sehr bedeutende Persönlichkeit sein, um in seinem Schutzraum mit solch vertraulichen Daten versorgt zu werden. Bei dieser Überlegung leuchtete eine weitere Reihe auf, die beschriftet war: „Vergeltungsmaßnahmen eingeleitet“. Sich vorzustellen – Informationen und Daten eines nuklearen Schlagabtausches ins eigene Haus geliefert zu bekommen! Wunderbar, so wichtig zu sein. Erstaunlicher Mann. Und so bescheiden – hatte sich in all diesen Jahren nichts anmerken lassen. Fragte mich nach seiner wirklichen Funktion in der Regierung. Mit einem solchen Hirn war er wahrscheinlich der Chef einer supergeheimen Spionageabwehr mit Dutzenden von James-Bond-Typen unter sich.
    Weiß nicht, wie lange diese sinnlose Grübelei andauerte, aber schließlich klickte etwas in meinem Kopf: Angriff? Vergeltung? Heh …! Stürzte zur Treppe. Terry schlug seine Klauen in mich und erhob Protest über die plötzliche Bewegung.
    Blieb stehen wie vom Blitz getroffen. Daddys Stimme, blechern, anscheinend vom Tonband: „Alarmstufe Rot. Radioaktive Strahlung festgestellt. Wert über der Gefahrengrenze. Schutzraum schließt sich in dreißig Sekunden – 29, 28, 27 …“ Stand wie erstarrt, hörte zu, als ob die so vertraute Stimme ein Requiem sprach für alles, was ich kannte und liebte, vermutlich mich selbst eingeschlossen. Zählung wurde einmal bei 15 Sekunden unterbrochen, um Strahlungswarnung zu wiederholen, erneut bei 5 Sekunden.
    Dann ertönte ein tiefes Summen, starke Motoren schoben Blöcke von Beton, Stahl, Asbest auf das obere Ende der Treppe, ebenso auf den Notrutscheneingang. Der Verschließungsprozeß endete mit dröhnendem metallischem Geklirr und Getöse. Motoren jaulten in momentaner Überlastung auf, als die Anlage sicherstellte, daß alles dicht war.
    Dann war ich wirklich allein. Stand da und starrte minutenlang vor mich hin. Wußte nicht, wann ich anfing, leise zu weinen, bemerkte nur, daß mein Gesicht naß war, als Terry an mir herumprobierte und es zu salzig fand. Schüttelte den Kopf, sagte leise: „Aarme Kleiine …“
    Fand mich auf einmal in einem Sessel sitzend wieder. Das Radio war an, konnte mich aber nicht erinnern, es eingeschaltet und die CoNELRAD-Frequenz eingestellt zu haben. Saß einfach da und hörte den Berichten zu. Rührte mich nur, um Terry zu füttern und zu tränken und aufs Klo zu gehen. Radiostation sendete noch immer, war aber nur in den ersten drei Tagen besetzt.
    Reichten aus, um die Geschichte zu erzählen: Menschheit ausgelöscht. Radioaktivität, von Menschenhand geschaffene Krankheit. Internationaler Schlagabtausch endete unentschieden.
    Der letzte Sprecher im Radio beklagte schwächer werdend die Situation, was aber keinen Sinn ergab: Sprach vom Verteidigungshauptquartier in der Nähe von Denver aus, das tief unterirdisch angelegt war, absolut bombensicher, luftdicht, Luft und Wasser regenerierten sich selbsttätig – warum starb er also? Warum war er der letzte Überlebende der gesamten Anlage? Ergab keinen Sinn …
    Dachte jedenfalls, Einwand sei zu eng begrenzt. Wunderte mich auch, warum wir noch lebten. Ergab ebenfalls keinen Sinn.
    Wenn sich die Unzerstörbarkeit des US-Luftwaffen-Hauptquartiers – das sich nicht weit von hier im Innern der Erde unter dem Cheyenne-Gebirge befand – als Legende erwies, wie konnte dann ein seltsames Kellerloch unter einem Kleinstadthaus seine Insassen noch immer am Leben erhalten? Und für wie lange? Vermutete, daß es nur eine Frage der Zeit war.
    Sorge über das Schicksal meines zurückgebliebenen Bruders nagte deshalb an mir. War vor Strahlung geschützt (schien wenigstens so), aber die Seuche war eine andere Sache. Glaubte nicht, daß sie die Biochemie von Vögeln beeinflussen würde – würde mich jedoch töten und den armen Kleinen zurücklassen, der verhungern und verdursten müßte.

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