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Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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standen, konnten sie wahrscheinlich fünfzig Ärzte finden, die sich zum Ausstellen eines Gutachtens bestechen ließen. Thomas schnitt eine Grimasse. Er wußte nicht, ob er angeekelt oder belustigt sein sollte. „Gehen wir essen“, sagte er zu Ellen Welles.
     
    „Du solltest sie sehen, Atropos. Vielleicht bringe ich dir am Montag ihr Bild mit. Ich kann dir versichern, mit dieser Maske und den schwarzen Kleidern sieht sie einer Fliege sehr ähnlich. Und da wir gerade davon sprechen, Madame …“
    Der Richter schob mit Hilfe einer Pinzette eine protestierende Fliege durch das Fütterloch des Terrariums. Ihre ersten, panischen Flügelschläge führten sie direkt in das wartende Netz. Atropos, im Zentrum des Netzes, erkannte die Natur ihrer Mahlzeit sofort anhand der elektrischen Ströme, die durch die Seidenfäden flossen. Blitzschnell hangelte sie sich über die Retikel und umspann ihr sich wehrendes Opfer mit einem seidenen Leichentuch. Als das geschehen war, biß sie der Fliege in den Kopf und begann unverzüglich, das sterbende Geschöpf auszusaugen.
    Speyer sah fasziniert zu.
    Plötzlich wurde ein ärgerliches Zischeln und Summen aus den Dutzenden verhüllter Käfige laut, die in den Regalen des Studierzimmers standen. Ein Lächeln huschte über die Züge des Richters. „Ah, meine Kinderchen, ich komme.“ Er ging hinüber zum Brutkasten, in dem er die Fliegen züchtete. „Geduld, meine Lieblinge. Es ist genug für alle da.“
     
    Es war acht Uhr abends, und sie saßen gerade über ihren Kaffeetassen in einem Restaurant in der Nähe des Gerichtsgebäudes.
    „Sie haben noch gar nicht gefragt, wie wir heute nachmittag abgeschnitten haben.“
    „Nein“, sagte Ellen Welles. „Wie haben wir abgeschnitten?“
    „Nicht so gut.“
    Sie erwiderte nichts.
    „Es liegt an den neuen Patentstatuten und dem rechtlichen Gerangel, das sich darum entwickelt hat“, sagte er weiter. „Seit dem Mittelalter gab es nichts Vergleichbares mehr. Die Medici und Borgias würden sich wahrscheinlich bei einer modernen Patentrechtsverhandlung ausgesprochen wohlfühlen.“
    „Gab es denn in diesen Tagen bereits Patente?“
    „Oh, gewiß doch. Natürlich hatten ihre Patente mehr den Charakter von Handelsmonopolen. Sie beinhalteten nicht notwendigerweise Erfindungen. Das kam erst später. Aber im Florenz des Jahres 1450 konnte ein Stadtrat einem bevorzugten Kaufmann beispielsweise das Monopol auf die Herstellung von Schießbaumwolle oder Kerzen oder Brokat geben. Hätte ein anderer danach versucht, in Florenz Kerzen herzustellen, so hätte er das Patent verletzt. Das war ein Verbrechen, für das er hingerichtet werden konnte. In Florenz war die Standardstrafe für Patentverletzungen das Erdrosseln. In Milano wurde mittels Musketen exekutiert, die jeweils verschieden geladen wurden, je nachdem, ob der Täter ein Christ, ein Jude oder ein Moslem war. In Rom wurde vorzugsweise gehängt. Und in Genua schlugen sie dem Täter den Kopf ab.“
    „Und in Venedig?“ fragte sie.
    Plötzlich bereute er seine kleine Geschichtslektion. Irgendwie hatte er sich selbst hineingeritten. „Gift“, sagte er mit Grabesstimme. „In Venedig ließen sie den Täter Gift trinken.“
    Doch sie lächelte ihm unbefangen zu.
    „Kommen Sie“, sagte sie. „Ich fahre Sie nach Hause.“
     
    Spät in der Nacht schritt Quentin Thomas mit auf dem Rücken verschränkten Armen in einem Zimmer seines Apartments auf und ab. Er mußte Morissey finden und in den Zeugenstand beordern. Und zwar schnell. Er hatte nur das Wochenende zur Verfügung. Samstag und Sonntag. Aber noch nicht einmal Kodex 9 wußte, wo Morissey sich befand. Kull wußte es. Ordway wußte es. Aber die würden Morissey ganz bestimmt nicht mitbringen. Sie würden mit einem gefälschten Gutachten aufwarten, demzufolge der große Erfinder nicht transportfähig war.
    Blieb Faust. Wußte Faust Bescheid? Würde Faust darauf drängen, seinen Erfinder zu suchen, ohne selbst diesbezügliche Schritte zu unternehmen?
    Irgend etwas übersah er. Irgendwo waren in der Unzahl von Spielen und Rätseln, die Faust herstellte, auch noch andere Hinweise versteckt. Straßenkarten? Mit einem X an der entsprechenden Stelle? Ein einfacher Hinweis? Nein, Faust würde keine Entlarvung durch etwas so Offensichtliches riskieren. Universal Patents wartete wahrscheinlich nur auf so etwas. Sie könnten das betreffende Produkt ganz einfach vom Markt nehmen. Nein, etwas viel Subtileres. Sehr viel subtiler.
    Aber wo beginnen?

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