Analog 1
unter der Tür.
Unterwegs, hoch über der Stadt, tippte er die Koordinaten der Shenandoah-Route ein, worauf das kleine Schiff rasch durch die Nacht schwebte.
Nun war es an der Zeit, die Situation zu überdenken. Wenn Robert Morissey tatsächlich in diesem Gebäude gefangengehalten wurde – wer mochte dann heute abend bei ihm sein? Natürlich Kull. Daher waren Kull und Ordway getrennte Wege gegangen. Daher hatten Kull und Ordway direkt im Anschluß an die Verhandlung diese ernsthafte Diskussion geführt. Sie hatten beratschlagt, was sie mit Robert Morissey tun sollten.
Hatten sie ihn etwa bereits beseitigen lassen?
Die Tatsache, die ihm schon seit der Übernahme des Falles Unbehagen bereitete, traf ihn nun wie ein Schlag zwischen die Augen: die unglaubliche Macht von Universal Patents. Sie hatten die ganze industrielle Welt buchstäblich in ihren Händen. Hunderte Milliarden Dollars standen auf dem Spiel. Ihnen würde ein Mord oder zwei nichts ausmachen. Es war überhaupt ein Wunder, daß Robert Morissey so lange hatte überleben können. Und vor allen Dingen, daß er noch lebte!
Sobald er den dichten Verkehr der Stadt hinter sich gelassen hatte, griff er zum Kommunikator. „Kodex 9.“
„Hier Kodex 9, Mr. Thomas.“
„Manuel Ordway. O-R-D-W-A-Y, Generalanwalt von Universal Patents, hat eine persönliche, geheime Leitung. Wieviel?“
„Ordway, der UP in Sachen UP gegen Welles vertritt?“
Thomas seufzte. Der Preis hatte sich gerade verdoppelt. „Ja.“
„Dreihunderttausend Dollar.“
„Zu hoch.“
„Mr. Thomas, Sie dürfen nicht vergessen, die Preisgabe dieser Information ist ein strafrechtliches Delikt.“ Die Stimme bekam einen wehleidigen Unterton. „Unsere Kontaktleute bei den Telefongesellschaften haben gerade ihre Bestechungsgelder erhöht, und wir müssen die Teuerung weitergeben, wenn wir im Geschäft bleiben wollen. Und dann haben wir noch das Risiko, Bestechungsgelder an die Richter zahlen zu müssen, wenn man uns auf die Schliche kommt, hinzu kommen die Steuern. Wir leben in inflationären Zeiten, Mr. Thomas.“
„Vor einem Monat lag der Satz noch bei hundertfünfzigtausend.“
„Und nun liegt er eben bei dreihunderttausend. Sie haben die Wahl, Mr. Thomas.“
„Geben Sie mir noch einen Stimmabdruck von Ordway dazu, dann akzeptiere ich.“
„Aha, Sie wollen also Mr. Ordways Stimme über seine eigene Geheimleitung nachahmen? Der Stimmabdruck wird zusätzlich fünfundzwanzigtausend Dollar kosten. Alles in allem also dreihundertfünfundzwanzigtausend Dollar.“
Er stöhnte laut. „Abgemacht. Dreifünfundzwanzig.“
„Vorauskasse, wie üblich“, sagte die körperlose Stimme kühl.
„Natürlich“, knurrte Thomas grimmig. „Hier ist die Überweisung.“ Er tippte die Buchung ein.
„Die Geheimnummer ist 5316189“, meldete sich die Stimme. „Ist Ihr Modifikator bereit?“
„Das ist er.“
„Fein. Hier kommt Ordways Stimmabdruck. Bitte beachten Sie die Intervalle zwischen den Worten. So argumentiert er auch immer vor Gericht. Eine perfekte Imitation. Sehr überzeugend. Ende der Übertragung. Haben Sie alles, Mr. Thomas?“
„Alles klar.“
Nachdem er ausgeschaltet hatte, bedachte er Kodex 9 mit ein paar bitteren Flüchen, gleichzeitig aber auch mit Ehrfurcht und Dankbarkeit. Kodex 9: Service für Anwälte. Alle möglichen Dienstleistungen. Zu allen möglichen Preisen. Kodex 9 konnte über Nacht Zweitschlüssel zu allen Safes anfertigen. Sie konnten binnen achtundvierzig Stunden die Kombination jedes Tresors im Lande herausbekommen. Sie fälschten Pässe, Führerscheine und Fahrzeugkennzeichen. Sie kannten ständig den genauen Kontostand jedes Anwalts. Viele Anwälte waren schon ihres Amtes enthoben worden, nur weil sie sich von Kodex 9 einen Wetterbericht hatten durchgeben lassen. Kodex 9 war ein so gutgehendes Geschäft, daß er sich wunderte, warum Universal Patents es nicht schon längst aufgekauft hatte.
Aber es gab etwas, das auch Kodex 9 nicht wußte – es sei denn, sie hätten es in den zurückliegenden Stunden erfahren. Er griff wieder nach seinem Kommunikator. „Kodex 9?“
„Ja, Mr. Thomas?“
„Kennen Sie den Aufenthaltsort von Robert Morissey?“
„Nein, immer noch nicht. Sollen wir Sie informieren, wenn wir ihn in Erfahrung bringen können?“
„Nein, spielt keine Rolle mehr.“ Er schaltete ab. Kaum hatte er das getan, da begann sein Verkehrsfunk zu pfeifen.
Er schaltete ein. „Ja?“
„QT/701?“
„Ja, hier.“
„Hier ist die
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