Analog 2
„Gesehen?“
„Ich habe etwas gesehen“, dämpfte der Anwalt seine Stimmung, „Was für ein Trick?“
„Kein Trick. Psi. Telekinese.“
„ Geistige Kontrolle? Du hast die Flamme mit deinem Willen zum Tanzen gebracht?“
„Ja. Paß wieder auf.“ Miller brachte einen anderen Apparat zur Bank. „Dieses Ding besteht aus drei Hauptkomponenten. Zuerst einmal hier der Kollimator und die Linsen bilden eine Fotoeinrichtung. Sie ‚liest’ zehn Teile der Flamme und verwandelt die in elektrische Ströme in dieser Aufzeichnungseinheit, die sie an diese dritte Einheit hier weitergibt, einen Verstärker, der zehn Lautsprecher an verschiedenen Stellen des Laboratoriums aktiviert.“ Er lächelte dem Anwalt zu. „Glaubst du mir immer noch nicht?“
Thomas zuckte die Achseln. „Ich höre zu.“
„Mehr verlange ich auch nicht.“ Er wandte sich wieder dem Apparat zu, legte einen Schalter um und begann wieder, in die Flamme zu starren.
Musik wurde laut und erfüllte den Raum. Quentin Thomas glaubte, sie zu erkennen … Strauß? An der schönen blauen Donau? Geschichten aus dem Wienerwald? Der Kaiserwalzer? Tatsächlich, alle drei gleichzeitig. Offensichtlich hörte Carlton Miller drei Walzer in seinem Kopf, die er alle drei auf die Flamme übertrug. Unglaublich!
Aber jetzt mußte Quentin Thomas erst einmal nachdenken. War das Zauberei? Oder war es tatsächlich ein Fall fürs Patentamt? Er stellte sich einen hypothetischen Punkt 1 in einem hypothetischen Patent vor:
1) Die Methode der Formung von Tonsignalen untergliedert sich in folgende Teile:
a) Das Formen einer akustischen Flamme b) Die Flamme einem telekinetischen Muster aussetzen, um selbige zu aktivieren c) Die Umwandlung der aktivierten Flamme mittels einer fotoelektrischen Einheit unter Transformation wenigstens eines variierenden elektrischen Stromkreises d) Die Konversion besagten Stromkreises in akustische Signale
Hmm. Telekinetisches Muster. Da lag das Problem.
Die Musik verebbte.
Miller wandte sich um und betrachtete den Anwalt erwartungsvoll. „Nun? Kann man es patentieren?“
„Nein“, antwortete Quentin Thomas leise, aber bestimmt.
„Nein?“ Miller war zu verblüfft, um zornig zu sein. „Warum nicht?“
„Weil es einer geistigen Operation bedarf. Psi ist der schwache Punkt deiner Erfindung.“
Danach schwieg Miller lange Zeit. „Ich verstehe. Zu dumm. Ich dachte schon, ich könnte ein wenig Geld mit meiner singenden Flamme verdienen. Ich brauche das Geld für ein paar andere Projekte.“
„Weitere Erfindungen?“ fragte Thomas.
„Ja und nein. Was die Erfindung betrifft, so habe ich da einen Partner namens Victor Higgins. Ich würde ihn gerne auszahlen, um ihn loszuwerden. Aber ich schätze, das werde ich nicht können. Zumindest nicht auf diese Weise.“ Sein Mund verzog sich zu einer verkniffenen, bitteren Linie, er wandte einen Augenblick den Blick ab.
„Eine zehnte Symphonie? Du erwartest nach zweihundert Jahren noch Aufzeichnungen davon zu finden?“ Thomas war verblüfft.
„Natürlich gibt es Probleme“, gab Miller zu. „Und natürlich haben auch schon andere danach gesucht. Und zweifellos sind die Bruchstücke verdammt weit verstreut. Aber mit genügend Zeit, Geld und Anstrengung könnte bestimmt ein Großteil des Werkes restauriert werden.“
„Tatsächlich!“ murmelte Quentin Thomas.
„Tatsächlich“, bekräftigte Miller. „Schau dir doch die Tatsachen an. Es ist bekannt, daß er in den Jahren 1825-26 an der Zehnten gearbeitet hat. Im Winter wurde er krank und starb am 26. März des nächsten Jahres. Ganz Wien kam zu seiner Beerdigung. Die Schulen hatten geschlossen. Dann – Entsetzen über Entsetzen – wurde fast alles, was er hinterlassen hatte, versteigert: Seine Bücher, Noten, seine Aufzeichnungen … Großer Gott! Unglaublich! Natürlich wurde manches wiedergefunden, sogar das eine oder andere Fragment der Zehnten, gerade genug, um Neugier zu erwecken.“
Thomas wartete. Er fühlte Schockwellen einer überschwappenden Monomanie. Er wußte nicht, was er hätte antworten sollen.
Miller durchbohrte den Anwalt mit seinem Blick. „Hunderte von Beethovenschülern haben nach der Zehnten gesucht. Keiner hat etwas gefunden. Und doch ist sie da … all die Jahre tanzte sie direkt vor ihren Augen herum!“
„Wo?“ fragte Quentin Thomas.
„Die Sargträger“, sagte Miller. „Acht Musiker und Orchesterdirigenten trugen seinen Sarg zum Grab. Hummel, der berühmte Pianist, war unter ihnen.
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