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Analog 3

Analog 3

Titel: Analog 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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erreicht – Sherry, selbst du könntest es tun.“
    „Wirklich?“ Irgendwie schaffte ich den Tonfall ehrfürchtiger Bewunderung, ohne daß ich daran erstickte.
    „Ich zeige es dir.“ Seine Gelehrteneitelkeit würde noch sein Untergang sein. Ich mochte eine Gefahr für ihn sein, aber ich war noch immer der einzige Mensch auf der Welt, dem gegenüber er prahlen konnte. Schritt für Schritt führte er das Verfahren vor. Ich stellte mich tollpatschig an, um ihn noch weiter in seinem Glauben zu bestärken – daß alle Humanwissenschaftler im Labor unbeholfen seien. Ich war jedoch imstande, etwas zu lernen, und wenn mir die Staatsuniversität Struldbrugg etwas beigebracht hatte, dann das Ausführen von Befehlen. Ich würde überhaupt keine Probleme haben – bis auf das eine, das ich eben dabei war, auszuschalten.
    Ich weigerte mich, beim Zusammenräumen Mikes Hilfe anzunehmen.
    „Wie wäre es mit einem Drink?“ fragte ich. „Wasch dir die Hände; sobald ich hier fertig bin, schenke ich ein. Schließlich …“ – ich preßte mir ein Lachen ab – „… bist du derjenige unseres Teams, der fest angestellt ist.“
    „Ich schenke ein“, sagte er, und ich wußte, daß es mir ganz und gar nicht gelungen war, ihn zu täuschen. Er hatte sich bloß vor jemandem produzieren wollen. Jetzt, da er die Befriedigung genossen hatte, seine Methode jemandem von akzeptabler Intelligenz zu erklären – zu dozieren –, würde er gewiß sicherstellen, daß ich ihn nie verraten konnte: indem er mir durch Drogen zu einer gräßlichen Unsterblichkeit verhalf.
    Mike kam mit zwei Plastikbechern herein. Er sah sehr freundlich aus. Eine Minute lang überlegte ich, ob ich nicht davonlaufen sollte, aber ich wußte, daß ich, wenn ich jetzt davonlief, nie mehr unbesorgt etwas essen und trinken konnte. Ich würde nie eine zweite Chance erhalten, Mike so nahe zu kommen. Daher griff ich nach einem der Becher, hob ihn hoch, als wolle ich ihm zuprosten, ging auf ihn zu und stolperte.
    Mein Drink bespritzte ihn vom Gesicht bis zur Krawatte.
    Was ist die erste Reaktion, wenn einem etwas im Gesicht trifft? Man leckt sich die Lippen ab!
    Mike leckte sich die Lippen ab und erstarrte dann. Die Verdauung würde die Azetylcholinesterase in seinem Körper wirkungslos machen, aber nichtsdestoweniger rannte er zum Waschbecken, um sich den Mund auszuspülen. Ich schützte meine Hand mit einem Handtuch, öffnete das Fläschchen mit Azetylcholinesterase neuerlich und schüttete seinen Inhalt in den Plastikbecher. Um sicherzugehen, besprengte ich auch einige Stück Würfelzucker, die er immer lutschte. Dann ging ich.
    Obwohl ich so weit weg von dem Labor laufen wollte, wie ich nur konnte, zwang ich mich dennoch, draußen vor der Tür stehenzubleiben, und schaute ihm durch das winzige Fenster zu, wie er nach dem Becher griff. Er blickte ihn an und schleuderte ihn dann gegen die Wand. Als ob diese Handlung seinen Zorn abgelassen hätte, setzte er sich nieder, wischte sich geistesabwesend die Hand ab und griff nach seinen Süßigkeiten.
    Hatte Mike nicht gesagt, daß er mir die Azetylcholinesteraselösung nicht anvertrauen würde? Wie schade, daß ich ihm nie sagen konnte, wie recht er mit seinen Befürchtungen gehabt hatte.
     
    „Ich habe den negativen Beschluß Ihres Lehrstuhls bezüglich Ihrer Festanstellung aufgehoben“, sagte der Dekan und beäugte mich, um sich zu vergewissern, daß ich gebührend dankbar dreinsah. „Um die Wahrheit zu sagen, die Kollegiumsmitglieder haben mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß Ihre Bewerbung – vor allem angesichts der großen Anzahl von Erkrankungen, die wir kürzlich unter den Seniorangehörigen dieser Fakultät hatten – überaus willkommen ist. Sie haben mich darüber hinaus bevollmächtigt, Ihnen interimistisch den Posten eines geschäftsführenden Lehrstuhlvorstandes anzubieten, bis eine Bestellung vorliegt. Natürlich bin ich jetzt auch bereit, mit Ihnen über eine Gehaltserhöhung und die Verminderung der Lehrverpflichtung zu verhandeln; ich bin mir gewiß, daß Sie darauf brennen, Ihre wissenschaftliche Arbeit fortzusetzen.“
    Ein neuer Anfang! Und die ganzen Jahre über hatte ich mir eingebildet, der Dekan würde sich der Illusion hingeben, man könne lehren und forschen zugleich. Dafür war ich ihm einiges schuldig. Schade, daß er Teetrinker war, sonst hätte er seinen Lohn schon bekommen.
    Ich bemerkte, daß er von seinem letzten Urlaub – einer Kreuzfahrt, alle diese Grauwale unternahmen

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