Anansi Boys
Telefonakkus«, erklärte er. »Du hast kein Telefon. Das ist alles Illusion. Das versuch ich dir doch die ganze Zeit zu erklären: Du hast das Tal von Hastdunichtgesehen durchschritten und wirst j e tzt, ach, verdam m t , es ist wie m it den Würmern und Sch m etterlingen, Liebes. Du weißt schon.«
»Raupen«, sagte Maeve. »Ich glaube, du me inst Raupen und Schmetterlinge.«
»Ah ja, gut m öglich«, sagte Morris’ Sti m me übers Telefon. »Raupen. Genau, das meinte ich. In was verwandeln sich denn die Würmer?«
»Die verwandeln sich in gar n i chts, Morris«, sagte Maeve ein bisschen gereizt. » E s sind einf a c h Würmer.« Das silberne Telefon gab ein kleines Geräusch von sich, wie ein elektronisches Rülpsen, zeigte noch einmal das Bild der leeren Batterie und schaltete sich dann ab.
Maeve klappte es zu und steckte es zurück in ihre Tasche. Sie ging zur nächsten Wand und drückte probehalber m it einem Finger dagegen. Die Wand füh l te sich feuchtkalt und gallertartig an. Sie drückte ein b i sschen fester, da schob sich die ganze Hand in die Wand. Und d a nn h i ndurch.
»Auweia«, sagte sie und hatte, nicht zum ersten Mal im Verlauf ihrer Existenz, das Gefühl, sie hätte lieber auf Morris hören sollen, der s c hließlich, das m u sste sie zugeben, m ittlerweile ver m utlich ein we n ig mehr vom Totsein verstand als sie selbst. Ach, na ja, dachte sie. Tot zu sein ist w ahrschein l ich wie alles andere im Leben auch: Man guckt sich das eine od e r andere ab, und den Rest erfindet man.
Sie ging durch die Eingangs t ü r und kam aber unversehens dur c h die hintere Wand der Eingangshalle zurück ins Gebäude. Sie probierte es noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis. Dann spazierte sie in das Reisebüro, das im Erdgeschoss des Gebäudes residierte, und versuchte sich durch die Ma u e r an der We stseite des Gebäudes zu drücken.
Sie ging hindurch und kam wiederu m , von Osten her, in der Eingangshalle heraus. Es w a r, als befinde man sich in einem Fernseher und versuche den Bildschirm zu verlassen. Topografisch gesehen, schien das Bürogebäude zu ih re m U n i v e r s u m gewo rden zu sein.
Sie ging wieder die Treppe hin a uf, um zu sehen, was die Polizisten machten. Sie starrten auf den Schreibtisch, auf die ganze Unordnung, die Grahame Coats beim Packen hinterlassen hatte.
»Wissen Sie«, sagte Maeve hilfsbereit, »ich bin in einem Ra u m hinter dem B ü cherregal. Da hinten drin.« Sie beachteten sie n i cht.
Die Frau hockte sich h i n und wühlte i m Papierkorb.
»Bingo«, sagte sie und zog e i n m it getrocknetem Blut beflecktes weißes Oberhemd h e rvor. Sie steckte es i n einen Plastikbeutel. Der stämmige Mann zückte sein Handy.
»Ich brauch die Forensiker hier«, sagte er.
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FAT CHARLIE stellte fest, dass seine Zelle ihm jetzt eher Zuflucht war als Gefängnis. D e nn zum einen befanden sich die Zellen tief im Innern d e s Gebäudes, weit weg von den Aufenthaltsorten selbst der abenteuerlust i gsten Vögel. Und zum andern war sein Bruder n i rgends zu sehen. Es störte ihn nicht mehr, dass in Zelle s echs absolut nichts passierte. Dieses N i chts war den meisten Etwas s en, die ihm in den Sinn kamen, bei Weitem vor z uziehen. Sogar eine ausschließlich m it Schlössern, Kakerlaken und Leuten namens K bevölkerte Welt war einer Welt vorzuziehen, in der bösartige Vögel seinen Namen im Chor flüs te rten.
Die Tür ging auf.
»Klopfen Sie gar nicht?«, fragte Fat Charlie.
»Nein«, sagte der Polizist. »Wenn ich’s m ir recht überlege, klopfen wir nicht. D e in Anwalt ist endlich da.«
»Mister Merry ma n?«, sagte Fat Charlie und hielt dann inne. Leonard Merryman war e i n rundlicher Herr m it einer kleinen goldenen Brille, und a u f den Mann, der hinter dem Polizisten stand, traf diese Beschreibung definitiv ni c h t zu.
»Alles in bester Ordnung«, sagte der Mann, der nicht sein Anwalt war. »Sie können uns jetzt allein lassen.«
»Klingeln Sie, wenn Sie fertig sind«, sag t e der Polizist, dann mac h te er die Tür wieder zu.
Spider nahm Fat Charlie an die Hand. Er sagte: »Wir brechen hier jetzt au s .«
»Aber ich will hier nicht aus b rechen. Ich habe ja nichts verbrochen.«
»Ein guter Grund, um abzuhauen.«
»Aber wenn ich abhaue, dann habe ich etwas verbrochen. Da n n gelte ich als entflohener Gefangener.«
»Du bist kein Gefangener«, sagte Spider fröhlich. »Es wird dir ja noch gar nichts zur Last gelegt. Du bist nur bei ihren
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