Anansi Boys
zuhören.
»Maeve?«
Morris’ Gesicht sah sie aus hundert Fernsehapparaten an. Für einen kleinen Mo me nt dachte s i e, es wäre Einbildung, dann, dass es zur Nac h richtensendung gehöre, aber er sah sie voller Sorge an, und als er ihren Namen noch ei n m al s a gte, wusste sie, dass er es war.
»Morris …?«
Er lächel t e sein berühmtes Lächeln, und jedes einzel n e Gesicht a u f jedem einzelnen B i ldschirm konzentrierte sich ganz auf sie. »Hal l o , Liebe s . Ich hab m i ch gefragt, was dich wohl so lange aufhält. T j a, also, es wird Zeit, dass du rüberko mm st.«
»Rüber?«
»Au f di e ander e Seite . Da s Ta l durchschreiten . Ode r ü b er den Berg kommen? Na, jeden f alls, du weißt schon.« Und er streckte ihr hundert Hände aus hundert Bildschir m en entgegen.
Sie wusste, dass sie nichts weiter zu t u n hatte, a l s die dargebotene Hand zu ergreifen. Zu ihrer eigenen Überraschung sagte sie jedoch: »Nein, Morris. Das sehe ich anders.«
Hundert identische Gesichter schauten perplex. »Maeve, Liebes. Du m u sst das Fleisch hinter dir lassen.«
»Nun ja, sicherlich, Liebling. Das werde ich auch tun. Versprochen. Sobald ich so weit bin.«
»Maeve, du bist t o t . Wie viel me hr so weit kann m a n sein?«
Sie seufzte. »Ich habe noch e i nige Dinge auf dieser Seite zu klären.«
»Zum Beispiel?«
Maeve richtete sich zu ga n zer Körpergröße auf. »Nun«, sag t e s i e . » Ic h h a b e d i e Ab s ic h t , diese n Ker l G r a h a m e C oa ts zu finden und dann … na ja, das zu tun, was Geister halt so tun. Ich könnte ihn hei m suchen oder so was.«
Morri s klan g etwa s ungläubig . »D u wills t Graham e Coa ts hei m suchen? War u m, in aller Welt?«
»Weil«, sagte sie, »ich hier noch nicht fertig b i n.« Sie presste ihre Lippen z u sammen und hob das Kinn.
Morris sah sie aus hundert Fernsehbildschirmen gleichzeitig an, und dann schüttelte er den Kopf, in einer Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung. Er hatte sie geheiratet, weil sie ihren eig e nen Kopf besaß, und er liebte sie aus eben diesem Grund, aber er wünschte sich, er könne sie, wenigstens einmal, von i r gendetwas überzeugen. Stattdessen sagte er: »Tja, ich bleib, wo ich bin, Schatz. Sag Bescheid, wenn du bereit bist.«
Und dann begann er zu verblassen.
»Morris, hast du irgendeine Vorstellung, wie ich ihn finden kann?«, fragte sie. Aber das Bild ihres Mannes war gänzlich verschwunden, und im Fernsehen zeigten sie jetzt die Wettervorhersage.
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FAT CHARLIE traf sich mit Da isy z u m D i m Su m in e inem summend vol le n Restaurant in L ondons w inzigem Chinesenviertel.
»Sie sehen gut aus«, sagte er.
»Danke«, sagte sie. »Ich fühle m i ch elend. Man hat m i ch vom Fall Grahame Coats abgezog e n. Das ist jetzt eine ausgewachsene Morduntersuch u ng. Wahrscheinlich kann ich m i ch glücklich schätzen, dass ich überhaupt da m it befasst war.«
»Tja«, sagte er heiter, »sonst hätten Sie ja gar nicht das Vergnügen gehabt, m i ch zu verhaften.«
»Auch wieder wahr.« Sie hatte immerhin den Anstand, etwas reuevoll drein z ublicken.
»Gibt’s irgendwelche Spuren?«
»Selbst wenn es sie gäbe«, sagte sie, »könnte ich Ihnen nichts darüber sagen.« Ein k l einer Servierwagen wurde an ihren Tisch gerollt, und Daisy wählte mehrere Gerichte aus.
»Es gibt eine Theorie, n ach der Grahame Coats v o n einer Kanalfähre gesprungen se i . Das war der letzte registrierte Kauf auf einer seiner Kreditkarten: eine Ta g e skarte nach D i eppe.«
»Halten Sie das für wahrscheinlich?«
Sie klem m t e einen Kloß zwischen ihre Essstäbchen, führte ihn zum Mund.
»Nein«, sagte sie. »Meine Ver m utung is t , dass er in ein Land ohne Auslieferungsabk o mmen gegangen is t . Wahrscheinlich Brasilien. Der Mord an Maeve Livingstone war unter U m ständen eine Spontanh a ndlung, aber alles andere war systematisch geplant. So richtig akribisch. Geld ist auf Kundenkonten geflossen. Gra h ame hat seine fünfzehn Prozent Abschlag genommen, und Daueraufträge haben dafür gesorgt, dass noch eine ganze Menge nachgekommen ist.
Viele aus l ändische Schecks sind von vornherein nicht auf den Kundenkonten gelandet. B e merkenswert ist, wie lange er dieses Spiel durchhalten konnte.«
Fat Charlie kaute auf einem Reisbällchen m it etwas Süßem darin. Er sagte: »Ich g l aube, Sie wis s en, wo er i st.«
Daisy hörte auf, ihren Kloß zu zermalmen.
»Irgendwas in der Art, w i e Sie sagte n , dass
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