Anansi Boys
Er fragte sich, ob er überhaupt einen
Fluch hatte. Wahrscheinlich j a , und falls nicht, könnte er sicherlich so tun, als ob.
»Nicht ich werde es sein, der dich tötet«, sagte sie. Sie hob die Hand, und es war gar keine Hand, sondern die Klaue eines Raubvogels. Sie strich da m it über sein Gesicht, über seine Brust, und ihre g r ausamen Krallen rissen seine Haut auf, gruben si c h ins Fleisch.
Es tat nicht weh, aber Spider wusste, dass die Sc h merzen nur allzu bald kommen würden.
Blutstropfen färbten seine Brust rot und rannen ihm übers Gesicht. Seine Augen brannten. Das Blut berührte seine Lippen. Er konnte es schmecken, und es roch wie Eisen.
»Jetzt«, sagte sie in den Schreien ferner Vögel. »Jetzt beginnt d e in Tod.«
Spider sagte: »Wir sind do c h beide vernünft i ge Wesen.
Erlaube, dass ich dir ein durchaus praktikables Alternativszenario darlege, von dem wir aller Voraussicht nach beide prof i tieren würden.« Er sagte es m it einem entspann t en Lächeln. Er klang sehr überzeugend.
»Du redest zu viel«, sagte sie und schüt te lte den Kopf.
»Genug geredet jetzt.«
Mit ihren scharfen Krallen griff sie in seinen Mund, und dann riss sie ihm m it einem Ruck die Zunge heraus.
»So«, sagte sie. Und dann s c hien sie do c h Mitleid m it Spider zu haben, denn sie berührte sein Gesicht auf fast freundliche Weise, und sie sagte: »Schlaf.«
Er schlief.
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FRISCH GEBADET, zeigte Ros i es Mu tter sich zu neuen Lebensgeistern erwacht und voller Begeisterung.
»Bevor ich Sie nach Williamstown bringen lasse, darf ich Ihnen vielleicht eine g a nz kurze Führung durchs Haus anbieten? « , fragte G r ahame Coats.
»Wir mü s sen wirklich z u m Schiff zurück, aber tr o tzdem vielen Dank«, sagte Rosie, die sich nicht dazu hatte überreden lassen, ein Bad in Grahame Coats’ Haus nehmen zu wollen.
Ihre Mutter sah auf i h re A r m b anduhr. »Wir haben noch neunzig Minuten Zeit«, sagte sie. »Es dauert nicht länger als fünfzehn Minu t en, um zum Hafen zu kommen. Sei nicht unhöflich, Rosie. Wir würden uns das Haus liebend gern ansehen.«
Und so zeigte Grahame Coats ihnen das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer, die Bibliothek, das Fernsehzimmer, das Esszimmer, die Küche und den Swim m ingpool. Von der Küche aus gingen ein paar Stufen hinunter zu einer Tür, hinter der sich ein Besenschrank zu verbergen schien, doch als Grahame Coats sie öff n ete, kam eine H o lztreppe zum Vorschein, über die er seine Gäste in seinen von Felswänden ummauerten Weink e ller führte. Er zeigte ihnen den Wein, der größtentei l s schon b e im Kauf des Hauses zum Inventar gehört hatte. Er ging m i t ihnen tief in den Weinkeller hinein zu einem ganz lee r en Ra u m, der einst, in der Zeit vor den Kühlschränken, als Kaltraum für Fleisch gedient hatte. Es war stets kühl im F l eischschrank, von dessen Decke schwere Ket t en hingen, mit Haken an den Enden, an denen vor langer Zeit ganze Tierrü m p fe gehangen hatten. Grahame Coats h i elt höflich die schwere Eisentür auf, da m it die beiden Damen eintreten konnten.
»Ach, wi s sen Sie«, s a gte er h i l f sbereit, »ich merke gerade, dass ich an dem Lichtscha l ter vorbeigelaufen bin. Einen Mo me nt, ich bin gleich zurück.« Und dann schlug er die Tür hinter den Trauen zu und ram m te die Riegel davor.
Er suchte sich eine staubb e deckte Flasche eines 1995er Chablis Premier Cru aus dem Weinregal.
Mit federnden Schri t ten stieg er die Treppe hinauf und teilte sei n en drei Angestellten m it, dass sie ab sofort eine Woche frei hätten.
Als er nach oben in sein Arbeitszimmer ging, hatte er das Gefühl, irgendetwas würde geräuschlos hinter i h m herstapfen, aber als er sich u m drehte, war nichts zu sehen. Seltsame r weise fa n d er das beruhigend. Er suchte sich einen Korkenzieher, öffnete die Flasche und goss sich ein Glas des blassen Weines ein. Er trank einen Schluck, und obwohl er bisher ke i n e sond e r l iche Neigung zu Rotweinen gehabt hatte, verspürte er unversehens den Wunsch, etwas Gehaltvolleres und Dunkleres trinken zu können. Es sollte, dachte er, die Farbe von Blut haben.
Als er sein zweites Glas Cha b lis getrunken hatte, ging ihm auf, dass er die Schuld für seine Notlage bei der falschen Person gesucht hatte. Maeve Livingstone, das wurde ihm jetzt klar, war ja selbst nur ein leichtgläub i ges Opfer gewe s e n. Nein, wer die Verantwortung für alles trug, das war offensichtlich und unbes t reitbar Fat
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