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Anansi Boys

Anansi Boys

Titel: Anansi Boys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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nichts?«
    »Hab eine Heidenan g st d a vor«, gestand der Drache.
    »Weißt du«, sagte Charlie. » I ch habe nichts in der Tasche. Möchtest du’s mal sehen?«
    »Nein«, sagte der Drac h e verlegen. » Ganz bes t immt nicht.«
    Flügel von Segelgröße schlu g en, und Charlie war allein auf dem Strand. »Das«, sagte er, »war viel zu leicht.«
    Er ging weiter. Er erfand ein L ied für seine Wanderung. Charlie hatte schon immer den W unsch gehabt, sich Lieder auszudenken, es aber nie get a n, vor al l e m wohl aus der Überzeugung heraus, dass er, sobald er einen Song geschrieben hätte, aufgefordert werden würde, ihn vorzusingen, und das wäre keine gute S ache gewesen, wie ja auch zum Beispiel der Tod dur c h Erhängen keine gute Sache war. Je t zt aber kümmerte ihn dieses Problem immer weniger, und er sang sein Lied den Leuchtkäfern vor, die ihn den Berg hinauf b e gleiteten. In dem Lied ging es darum, wie er der Vogelfrau begegnete und seinen Bruder fand. Er hoffte, dass die Leuchtkäfer F r eude daran hatten: Ihr Licht schien im Rhyth m us des Liedes zu pulsieren und zu flackern.
    Die Vogelfrau erwa r tete ihn a u f der Spitze des Ber g e s. Charlie nahm s e inen Hut a b . Er zog die Feder aus dem Hutband.
    »Hier. Die gehört dir, glaube ich.«
    Sie mach t e keine A n stalten, sie zu ne h men.
    »Unser Handel m u ss rückgäng i g ge m a cht werden«, sagte Charlie. »Ich habe dir dei n e Feder gebracht. Ich m ö chte meinen Bruder zurück. Du hast ihn geno m men. Ich will ihn wiederha b e n. Es stand m ir nicht zu, Anansis Blutlinie wegzugeben.«
    »Und wenn ich deinen Bruder gar nicht mehr habe?«
    Es war im Licht der Leuch t käfer schwer zu erkennen, aber Charlie glaubte nicht, dass ihre Lippen sich bewegt hatten. Ihre Worte u m gaben ihn jedoch i n den Rufen der Ziegenmelker und den Schreien der Eulen.
    »Ich will meinen Bruder zur ü ck«, bekräftigte er. »Ich will ihn in einem Stück und unversehrt. Und ich will ihn sofort. Sonst war das, was zwischen dir und me inem Vater in all den Jahren vo r gefallen ist, nur ein Vorspiel. Die Ouvertüre, sozusagen.«
    Noch nie in seinem Leben hatte C h arlie je ma ndem gedroht. Er hatte keine Ahnung, wie er seine Drohung wahr machen sollte aber er hatte auch keine Zweifel, dass er sie wahr machen würde.
    »Ich hatte ihn«, sagte sie im fernen Krakeelen der Rohrdommel. »Aber ich habe ihn ohne Zunge in Tigers Welt abgeliefert. Ich könnte der Lin i e deines Vaters nichts antun. Tiger aber kann es, wenn er erst einmal den Mut aufgebracht hat.«
    Stille. Die Nachtfrösche und die Nachtvögel schwiegen. Sie starrte ihn ausdruckslos an, ihr Gesicht verschwand nahezu im Schatten. Ihre Hand schob sich in die Tasche ihres Mantels. »Gib m ir die Feder«, sagte sie.
    Charlie gab sie ihr in die Hand.
    Plötzlich fühlte er sich leich t er, ganz so, a l s habe sie ihm mehr abgenommen als nur eine alte Feder …
    Dann legte sie etwas in seine Hand, etwas Kaltes und Feuchtes. Es fühlte sich wie ein Stück Fleisch an, und Charlie musste den I m puls unte r drücken, es einfach wegzuwerfen.
    »Gib sie ihm zurück«, sag t e sie in der Stimme der Nacht. »Es gibt keinen Streit mehr zwischen uns.«
    »Wie komme ich in Tigers Welt?«
    »Wie bist du hierher gekommen?«, fragte sie, fast belustigt k l ing e nd, und dann war d i e Nacht vollständ i g hereingebrochen, und Charlie st a nd allein auf dem Hügel.
    Er m a chte die Hand auf und b e sah das Stück Fleisch, das dort lag, weich, schlaff und zerfurcht. Es sah wie eine Zunge aus, und er glaubte zu w i ssen, wessen Zunge es war.
    Er setzte den Filzhut wieder auf und dachte dabei: Ich setze meine Denkm ü tze auf, aber bei näherer Betrachtung war der Witz vielleicht doch ernster als geahnt. Der grüne Filzhut war zwar keine Denkmü t ze, a b er doch die Sorte Hut, die von je ma ndem getragen wurde, der nicht nur so daherdachte, sondern auch zu großen und wichtigen Schlussfo l gerungen gelangte.
    Er stellte sich die Welten als ein Netz vor: Es leuchtete in seinem Innern, v e rband i hn mit al l e n, die er kannte. Der Faden, der ihn m it Spider v e rband, war kräftig und hell, erstrahlte in einem kalten Licht, wie ein Leuchtkäfer oder ein Stern.
    Spider war einst ein Teil von i h m gewesen. Er hielt dieses Wissen fest und ließ das N e tz sich in seinen Gedanken ausbreiten. Und in seiner H a nd lag die Zunge seines Bruders: Sie war noch bis vor Kurzem Teil von Spider gewesen und wünschte sich sehnli c hst, wieder

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