Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Lift und fuhren erneut in den vierten Stock, wo die Alleko wohnte. Aber niemand reagierte auf ihr beharrliches Läuten an der Tür. Nastja und Anton gingen eine halbe Treppe tiefer, setzten sich auf die Fensterbank und steckten sich eine Zigarette an.
»Vielleicht ist es sogar besser, daß sie nicht zu Hause ist«, sagte Nastja nachdenklich. »Nach dreiundzwanzig Uhr dürfen wir ohne ausdrückliche Erlaubnis des Wohnungsinhabers eine Wohnung sowieso nicht mehr betreten. Und ich bin mir keineswegs sicher, daß die Alleko uns mit offenen Armen empfangen hätte. Auf der Straße oder im Treppenhaus ist es etwas anderes. Wir können sie ohne weiteres ansprechen, uns vorstellen und ihr ein paar Fragen stellen. Oder uns nicht vorstellen und irgendwas erfinden. Damit würden wir jedenfalls nichts Illegales tun.«
»Hast du keine Angst? Sie besitzt doch einen Revolver! Und außerdem muß man davon ausgehen, daß sie geistesgestört ist.«
»Natürlich habe ich Angst. Aber würde ich nie etwas tun, wovor ich Angst habe, könnte ich kein einziges Verbrechen aufklären. Wir werden uns bemühen, korrekt und vorsichtig zu sein, nichts Überflüssiges zu sagen und sie nicht zu provozieren. Wir suchen sie bis jetzt ja nur als Zeugin, nicht mehr als das. Und denk an den Diebstahl in eurem Fotolabor! Es ist nicht anzunehmen, daß sie das gewesen ist. Vermutlich hat sie einen Komplizen. Und vermutlich bewahrt der auch den Revolver auf, so daß Swetlana Petrowna uns nicht allzu gefährlich werden kann, wenn wir uns richtig verhalten.«
In einer der oberen Etagen fiel eine Tür ins Schloß, man hörte Schritte und ein leises, kratzendes Geräusch auf der Treppe. Jemand ging mit seinem Hund nach unten. Kurz darauf erschien ein Mann mittleren Alters mit einem großen schwarzen Terrier auf der Treppe.
Der Hund blieb plötzlich stehen, er setzte sich vor die Wohnungstür der Alleko und begann zu heulen.
»Komm schon, Fred, laß den Unsinn.« Der Mann bückte sich und ergriff den Hund am Halsband. »Du hast hier heute morgen schon genug geheult.«
Nastja sprang wie von der Tarantel gestochen von der Fensterbank und lief treppauf, dem Mann entgegen.
»Haben Sie eben gesagt, daß Ihr Hund schon heute morgen vor dieser Tür geheult hat?«
»Ja. Ich konnte ihn kaum wegbekommen von dieser Stelle. Zuerst heulte er, dann stellte sich ihm sogar das Fell auf. Jetzt wiederholt sich die Geschichte, sehen Sie sich das an. Komm, Fred, komm, es ist schon spät.«
Der Hund war schrecklich anzusehen. Das Fell sträubte sich ihm, er fletschte die Zähne und bebte am ganzen Körper.
»Als würde er eine Leiche anheulen, bei Gott«, sagte der Mann, während er erfolglos versuchte, den großen, massigen Hund endlich zum Aufstehen zu bewegen.
»Ich fürchte, es ist eine Leiche«, murmelte Nastja.
Sie holte ihren Dienstausweis aus der Handtasche und zeigte ihn dem Mann.
»Könnten wir vielleicht Ihr Telefon kurz benutzen? Wir müssen die Miliz anrufen. Es sieht so aus, als sei Swetlana Petrowna etwas zugestoßen.«
* * *
Larissa hörte das Geräusch des Schlüssels in der Wohnungstür und zuckte zusammen. Ihr Peiniger war zurückgekommen. Wie gut, daß er morgens wenigstens zur Arbeit ging und sie nur abends, nachts und morgens quälte. Sie hatte es sogar gelernt, ein wenig einzuschlummern, wenn er nicht da war. Vom langen Liegen in einer Haltung war ihr Körper gefühllos geworden, sie spürte nur noch die Stellen, die von den Schlägen schmerzten. Wie lange war sie schon an diesem Ort? Zwei Tage? Drei Tage? Ihr schien, es waren drei. . .
Er betrat das Zimmer, bleich, wie immer, mit einem bösen Funkeln in den Augen.
»Nun, hast du es dir überlegt? Meine Geduld mit dir geht zu Ende. Bis jetzt habe ich dich nur geschlagen, aber es geht auch anders. Damit du Bescheid weißt.«
Ihr Peiniger nahm ihr das Pflaster ab, das er sicherheitshalber über den Knebel in ihrem Mund geklebt hatte.
»Wie sieht es aus? Willst du anrufen?«
»Ich weiß nicht, wen ich anrufen soll, Ehrenwort. Warum glaubst du mir nicht?«
»Alles klar.«
Er betrachtete sie nachdenklich von Kopf bis Fuß, so, als würde er sie zum ersten Mal anschauen. Dann holte er ein Feuerzeug aus der Hosentasche und führte die Flamme dicht an eine ihrer Brustwarzen heran. Larissas Augen weiteten sich vor Entsetzen. Ihr war klar, daß er es jetzt noch nicht tun würde, weil er wußte, daß sie laut aufschreien würde vor Schmerz. Bis jetzt wollte er ihr nur Angst machen.
»Ich weiß
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