Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Bescheid?«
»Nein, wir haben keinen Kontakt. . .«
Die Geschichte, die Nastja dem wortkargen Paar schließlich aus der Nase zog, war überraschend einfach, zynisch und brutal.
Swetlana Petrowna hatte viele Jahre eine sehr gute Ehe geführt, ihr Mann war ein in jeder Hinsicht anständiger, respektabler Mensch, ein wunderbarer Ehemann und ein liebender Vater für Irina, aber schon seit langer Zeit schwerkrank. Bereits seit ihrem dreißigsten Lebensjahr kannte Swetlana Petrowna keine eheliche Liebe mehr. Und eines Tages trat plötzlich der um vierzehn Jahre jüngere Konstantin in ihr Leben, sie begann, sich wieder als Frau zu fühlen, sie wurde geliebt und begehrt. Irina war zu dieser Zeit bereits erwachsen, Swetlana Petrowna hätte sich durchaus scheiden lassen können, aber ihr Mann war schließlich krank, er liebte sie aufrichtig und war ihr treu ergeben.
Es begann eine sehr qualvolle Zeit für sie. Sie wollte mit Konstantin Zusammenleben, aber sie wagte es nicht, ihren Mann zu verlassen. Irina machte keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Mutter, die sich mit einem so jungen Mann eingelassen hatte.
»In seinem Alter müßte er nicht dir nachsteigen, sondern mir«, stieß sie böse zwischen den Zähnen hervor. »Schäm dich, Mutter!«
Damit Wort und Tat sich auch deckten, begann sie, dem Liebhaber ihrer Mutter schöne Augen zu machen, und registrierte mit Genugtuung, daß er ihr vielsagend zulächelte und mit bedeutungsvollen Blicken antwortete.
Es war Swetlana Petrownas Mann, der nicht länger Zusehen konnte und den Qualen ein Ende setzte. Eines Tages packte er seine Sachen zusammen und zog zu seinem Bruder, der seit kurzem verwitwet war.
Die Ehe wurde sehr bald geschieden, und Swetlana Petrowna bereitete sich auf die Heirat mit Liwanzew vor.
»Mach dich nicht lächerlich, Mama«, sagte Irina gehässig, als Swetlana Petrowna sich ein weißes Kleid für die Hochzeit kaufte. »Was willst du in deinem Alter mit einem weißen Kleid?«
»Warum bist du so herzlos!« sagte Swetlana Petrowna weinend. »Von wem hast du das bloß?«
»Ich bin nicht herzlos«, entgegnete Irina kalt. »Ich bin nur realistisch, im Gegensatz zu dir. Dieser Hurenbock hat dir völlig das Gehirn vernebelt.«
»Ich verbiete dir, ihn so zu nennen«, herrschte Swetlana Petrowna ihre Tochter an.
»Hast du noch nicht bemerkt, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn er mich anschaut?« bemerkte Irina ungerührt. »Natürlich ist er ein Hurenbock.«
Am Tag der Hochzeit verkündete Irina, daß sie ihre Mutter und ihren angehenden Ehemann zum Standesamt begleiten wolle. Swetlana Petrowna war erfreut, sie erblickte darin ein erstes Anzeichen der Versöhnung. Aber eine Viertelstunde vor Verlassen des Hauses erschien Irina in einem prachtvollen weißen Kleid.
»Irotschka, bitte«, begehrte die Mutter auf, »zieh dir etwas anderes an. Solche Kleider tragen nur Bräute.«
»Du bist es, die etwas anderes anziehen sollte«, erwiderte Irina. »Schau dich mal an, du bist achtundvierzig und trägst ein weißes Hochzeitskleid, als wärst du eine Jungfrau. Es ist lächerlich. Ich ziehe mich nur dann um, wenn du dich auch umziehst.«
»Aber Ira . . .«. Swetlana Petrowna war völlig verwirrt.
»Entweder wir ziehen uns beide um, oder wir gehen beide in Weiß.«
»Mein Gott, wie kommt es nur, daß du so ein Ungeheuer bist?« begann die Mutter zu weinen.
»Weil ich die Tochter einer alten Hure bin«, erwiderte Irina höhnisch.
Sie fuhren beide in Weiß zum Standesamt, und, man konnte es nicht leugnen, Irina sah aus wie die eigentliche Braut. Als sie die Halle des Standesamtes betraten, warf Irina einen Blick in die große Spiegelwand. Neben dem attraktiven Liwanzew machte sie sich sehr gut in ihrem weißen Kleid. Und ihre alte, unglückliche Mutter trottete hinter ihnen her. Ihre Augen trafen sich im Spiegel, und Irina lächelte der Mutter hochmütig zu.
Ein paar Minuten später ging Swetlana Petrowna zur Toilette, um ihre Frisur und ihr Make-up in Ordnung zu bringen. In der Raucherecke vor den Toiletten befand sich niemand außer einem jungen Paar, das sich leidenschaftlich küßte. Im ersten Moment begriff sie gar nicht, wen sie vor sich sah. Und nachdem sie es begriffen hatte, erstarrte sie zur Salzsäule. Dann drehte sie sich um und verließ das Standesamt.
Am nächsten Tag ging sie zu einem Makler und beauftragte ihn, Klienten zu finden, die eine große Dreizimmerwohnung gegen zwei kleinere Wohnungen tauschen wollten. Die zwei
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