Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
werde nicht versuchen, sie so vorteilhaft wie möglich aufzunehmen, ich mache einen Schnappschuß von Ihnen, und wenn er mißlingt – dann habe ich verloren.«
»Gut, machen Sie«, stimmte Nastja freudlos zu. Sie hatte ohnehin erst die Hälfte der Zigarette geraucht.
»Also, wir machen es so. Ich bereite die Kamera vor und drehe mich um. Sie nehmen eine beliebige Haltung ein und beginnen laut zu zählen. Bei »drei« drehe ich mich um und drücke auf den Auslöser. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte Nastja gleichgültig.
Der junge Mann wandte sich um, Nastja zog nachdenklich an ihrer Zigarette und dachte an Artjuchin, dessen Alibi geplatzt war und der ihr heute, am Tag ihrer Hochzeit, diesen üblen Drohbrief geschickt hatte. Als die Zigarette schon fast bis zum Filter heruntergebrannt war, besann sie sich und begann zu zählen.
»Eins, zwei, drei.«
Der Fotograf drehte sich abrupt um, hielt eine Sekunde inne, und dann folgte ein Klicken, ein greller Blitz in Nastjas Augen.
»Sie haben sich lange auf die Aufnahme vorbereitet«, bemerkte er, während er mit seiner Kamera hantierte.
»Ehrlich gesagt, ich hatte Sie vergessen«, erwiderte Nastja kalt.
»Und was haben Sie dann so lange gemacht?«
»Ich habe nachgedacht.«
»Sind Sie als Trauzeugin hier?«
»Nein, als Braut.«
»Das kann nicht möglich sein.«
»Warum nicht?«
»In einem schwarzen Rock und einer schwarzen Bluse? Eine Braut, die rauchend vor dem Standesamt steht und sich mit einem fremden Mann unterhält, anstatt, bebend vor Glück und Aufregung, die Hand ihres Bräutigams zu halten? Ich glaube Ihnen kein Wort.«
»Dann lassen Sie es. Was ist nun mit dem Foto?«
»Noch eine Minute Geduld, gleich ist es fertig. Sie heiraten wahrscheinlich nicht zum ersten Mal. Nur so kann ich mir Ihre Gleichgültigkeit erklären. Sie kennen die Prozedur und vor allem ihre Folgen, stimmt’s?« sagte der Fotograf und lachte ein ansteckendes Lachen.
Nastja hielt es nicht aus und lächelte.
»Hier, fertig. Wer von uns beiden hat also recht gehabt?«
Nastja betrachtete die Aufnahme und traute ihren Augen nicht. Sollte das wirklich sie sein? Eine höchst aparte junge Frau in einem kurzen Rock, der die langen, perfekt geformten Beine freigab, einer schwarzen Bluse, die das makellose Weiß der Haut hervorhob, und einer eleganten weißen Jacke. War das wirklich sie? Von dem Foto blickte sie eine klassische, kalte Schönheit mit hohen Wangenknochen, einem schönen Mund und nachdenklichen Augen an. Das Foto erinnerte sie an die Tatsache, daß sie heute eine ganze halbe Stunde in ihr Makeup investiert hatte, deshalb sah sie so gut aus. Sie hatte sich so sehr an ihr unscheinbares Äußeres gewöhnt, daß sie sich selbst dann als graue Maus fühlte, wenn sie aussah wie ein Filmstar.
»Ich gebe es zu, ich habe verloren. Was verlangen Sie als Strafe von mir?«
»Rein gar nichts. Ich begnüge mich mit einer Entschuldigung für Ihr wenig liebenswürdiges Verhalten.«
»Verzeihen Sie mir«, sagte Nastja aufrichtig. »Sie haben recht gehabt, und ich war sehr unfreundlich zu Ihnen . . .«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber in diesem Moment sah sie, wie Dascha ihr aus dem Inneren der Halle Zeichen mit der Hand machte. Offenbar war es soweit.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie mit einem Grinsen, »aber ich werde unter den Schleier gerufen.«
Sie hielt ihm das Foto wieder hin, aber er schüttelte den Kopf.
»Behalten Sie es zur Erinnerung.«
Sie kehrte in die Halle zurück, wo sie bereits ungeduldig erwartet wurde.
»Wir müssen da lang«, sagte Ljoscha und deutete nach rechts, auf eine Phalanx von Türen, die sich nur nach Nummern unterschieden und ansonsten völlig gleich aussahen. »Wir haben die Neun.«
In Zimmer neun saßen zwei junge Mädchen, die die Heiratsurkunden ausstellten und die Pässe stempelten. Eine von ihnen lief aus dem Zimmer und kehrte nach einer halben Minute mit einem riesigen Buch zurück.
»Unterschreiben Sie schnell«, sagte sie etwas atemlos, »ich muß das Buch wieder zurückbringen, weil es für die nächste Trauungszeremonie benötigt wird.«
Nastja, Ljoscha und die Trauzeugen setzten Ihre Unterschriften in das Buch, und das Mädchen eilte wieder davon.
»Wollen Sie Ihren Namen behalten, oder nehmen Sie den Ihres Ehemannes an?« fragte das zweite Mädchen, das die Heiratsurkunde ausstellte.
»Ich behalte meinen«, sagte Nastja.
»Ich trage also ein . . . Name des Ehemannes: Tschistjakow. Name der Ehefrau: Kamenskaja . .
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