Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
in zwei Stunden mit dummem Gesicht vor einer Standesbeamtin stehen würde, mit einem großen, stacheligen Rosenstrauß in der Hand, und die Beamtin würde über Verantwortung, gegenseitige Liebe, Fürsorge und so weiter und so weiter dozieren. Dann würden sie sich gegenseitig die Ringe anstecken, entsprechend langsam, damit die Fotografen den Moment für die Ewigkeit festhalten konnten, anschließend würden sie sich küssen und ihre Unterschrift in das riesige Buch auf dem Tisch setzen. Nastja fröstelte. Hätte sie gewußt, daß die Trauungszeremonie so qualvoll war, hätte sie es sich vielleicht doch noch anders überlegt mit dem Heiraten. Schließlich hatten sie und Ljoscha all die Jahre auch ohne Trauung in bestem Einvernehmen gelebt.
»Ich erkläre Sie hiermit zu Mann und Frau . . . Bitte stecken Sie sich jetzt die Ringe an . . . Der Bräutigam darf die Braut jetzt küssen . . . Bitte treten Sie näher und unterschreiben Sie hier. . . Auch die Treuzeugen bitte . . .«
Endlich war alles vorbei. Nastja küßte Dascha und übergab ihr den obligatorischen Rosenstrauß. Dem fügte Tschistjakow seinen Anteil an dem stacheligen Schatz hinzu. Die kleine Dascha verschwand völlig unter dem Blumenberg, und Ljoscha erbarmte sich und nahm ihr die aufgehäuften Sträuße aus den Armen. Sie kehrten zurück in das Büro von Dina Borisowna, und Nastja ließ sich erleichtert in einen Sessel fallen.
»War alles in Ordnung, Alexander Pawlowitsch?« fragte die Leiterin besorgt, »alles nach Ihren Wünschen?«
»Ich danke Ihnen, Dina Borisowna, alles war bestens. Setzen Sie sich zu uns, und stoßen Sie mit uns an.«
Sascha und Alexej nippten nur an ihren Gläsern, da sie noch Auto fahren mußten, und auch die schwangere Dascha führte das Glas mit der goldfarbenen, perlenden Flüssigkeit nur rein symbolisch an die Lippen. Nastja hingegen leerte ihr Glas zu ihrem eigenen Erstaunen mit großem Genuß, sie trank es mit einem Zug aus und bat um ein zweites. Der Sekt schmeckte köstlich. Aber vielleicht, sagte sie sich, trinke ich nur deshalb, weil ich nervös bin. Die Frage ist nur, warum ich es bin. Wegen der Hochzeit oder wegen des kleinen gefalteten Zettels in dem weißen Kuvert?
* * *
Auf der Fahrt von Sokolniki nach Ismajlowo teilten sie sich wieder genauso auf wie auf dem Hinweg. Sascha fuhr zusammen mit Nastja im Auto, Tschistjakow mit Dascha.
»Sascha, was meinst du, könnten wir auf dem Standesamt mit der Beamtin reden, damit sie uns ohne dieses ganze Brimborium traut?«
»Ich weiß es nicht. Wieso, hat es dir nicht gefallen?«
»Ehrlich gesagt, nein. Ich mag das alles nicht. Man steht da wie angewachsen und hört sich diesen ganzen Schwachsinn an . . . Mir sind die Schultern vor Schmerzen fast auseinandergebrochen, während man euch getraut hat. Ein zweites Mal, und auch noch in der Hauptrolle, halte ich das nicht durch.«
»Gut, ich werde mein möglichstes tun«, sagte Sascha.
Im Standesamt angekommen, nahmen Nastja und Dascha Platz in der großen, luxuriösen Vorhalle, und die Männer gingen los, um wegen einer vereinfachten Trauungszeremonie zu verhandeln. Ljoscha war voll und ganz einverstanden gewesen mit Nastjas Idee, die ganzen Feierlichkeiten wegzulassen, und so blieb Sascha nichts anderes übrig, als sich mit den Wunderlichkeiten seiner Halbschwester abzufinden.
»Ich gehe hinaus auf die Straße«, sagte Nastja, die nach zehn Minuten keine Lust mehr hatte, vor aller Augen in der Halle herumzusitzen.
»Warum?«
»Ich möchte eine Zigarette rauchen.«
»Ich komme mit«, sagte Dascha und wollte sich erheben, aber Nastja drückte sie sanft in ihren Sitz zurück.
»Bleib du hier, sonst finden uns die Männer nicht mehr.«
Sie ging hinaus vor die Tür und blieb neben einem großen Ascher stehen. Nach den zwei Gläsern Sekt war das die erste Zigarette, die sie rauchte, und sie spürte, wie ihr ein wenig schwindelig wurde. Alles begann sich zu drehen, und ihre Beine waren plötzlich wie aus Watte. Doch nach ein paar Sekunden war es wieder vorbei, und sie begann, interessiert die Leute zu betrachten, die das Standesamt verließen oder gerade erst ankamen. Aus einem kanariengelben Shiguli stieg ein junger Mann aus, der von oben bis unten mit Fotozubehör vollgehängt war.
»Brauchen Sie einen Fotografen?« fragte er Nastja im Vorübergehen.
»Nein, danke«, sagte sie mit einem Lächeln.
Der junge Mann öffnete die Glastür und ging zielstrebig ins Innere der Halle. Nastja sah, wie er zu Dascha herantrat,
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