Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Gebäude vorläufig, bis zum Eintreffen der Ärzte und der Miliz, nicht betreten werden. Aber regen Sie sich bitte nicht auf. Sie können zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Entweder Sie entscheiden sich für die vereinfachte Zeremonie, andernfalls, wenn Sie auf der feierlichen Variante bestehen, müssen Sie mindestens zwei bis drei Stunden warten. Aber jedes Paar, das für heute einen Termin hat, wird getraut werden. In einer Viertelstunde werden die Mitarbeiter des Standesamtes Tische vor dem Haus aufstellen, die Papiere herausbringen und mit den Eheschließungen beginnen. Wir bitten Sie um Verständnis.«
Die Menge belebte sich ein wenig. Ein Mann und eine Frau traten zu Nastja heran.
»Wir sind Ärzte«, sagte der trotz seiner grauen Schläfen noch jugendlich wirkende Mann entschieden. »Wir können helfen, wenn es nötig ist.«
»Was ist Ihr Fachgebiet?« fragte Nastja.
»Ich bin Psychiater, das wird Ihnen kaum etwas nutzen, aber meine Frau ist Chirurgin. Falls also jemand verletzt sein sollte. . .«
»Sehr gut«, erwiderte Nastja, »ein Psychiater ist genau das, was wir brauchen. Kommen Sie bitte mit.«
Sie durchschritt mit dem Arzt hinter sich die inzwischen deutlich aufgelockerte Menschenmenge vor der Damentoilette. Der Bräutigam des ermordeten Mädchens kniete immer noch vor der Leiche und wiegte sich, die Hände vor das Gesicht geschlagen, gleichmäßig hin und her. Der Psychiater begriff sofort, was los war.
»Er steht unter Schock. Darf ich zu ihm hineingehen?«
»Lieber nicht. Auf dem Fußboden können sich wichtige Spuren befinden. Solange er sich ruhig verhält, bleiben wir lieber draußen. Aber jeden Moment kann die Miliz eintreffen, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, wie man ihn dann behandeln muß, ohne ihm noch größeren Schaden zuzufügen.«
»Gut. Ich werde hierbleiben und auf ihn achten. Für alle Fälle sollte man aber etwas aus der Apotheke besorgen, ich stelle ein Rezept aus. Notfalls mache ich ihm eine Injektion. Wird hier irgendwo eine Spritze aufzutreiben sein?«
»Wohl kaum. Aber der Gerichtsmediziner wird sicher eine dabeihaben.«
»Sehr gut.«
Der Arzt holte einen Rezeptblock hervor und bekritzelte schnell das oberste, mit Stempeln versehene Blatt. Nastja nahm das Rezept entgegen und begab sich wieder hinaus vor die Tür.
»Könnte jemand von den Anwesenden bis zur nächsten Apotheke fahren und ein Medikament besorgen?« fragte sie laut in die Menge.
Niemand meldete sich. Endlich trat ein junger Kaukasier an sie heran.
»Was sind das für Männer hier!«, sagte er mit leisem Zorn in der Stimme. »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben. Gib mir das Rezept, Schwester.«
»Heiraten Sie auch?« fragte Nastja, bereits drauf und dran, ihm für seine Hilfsbereitschaft eine Trauung ohne Wartezeit anzubieten.
»Nein, Schwester, ich bin nur zufällig hier vorbeigefahren und habe angehalten, um zu sehen, was für ein Menschenauflauf das ist vor dem Standesamt. Ist etwas passiert? Ist jemandem schlecht geworden?«
»Schlechter geht es nicht, mein Freund«, antwortete ihm Nastja mit trauriger Stimme. »Eine junge Braut wurde erschossen.«
»Wajme!« Die Augen des Kaukasiers weiteten sich. »Ich fahre sofort los, ich beeile mich!«
Er flog die Stufen der Außentreppe hinab, und in das Aufheulen seines Automotors fiel das Geräusch von Sirenen ein. Endlich war der Einsatztrupp da.
DRITTES KAPITEL
Jura Korotkow sah Nastja mitfühlend an. Sie wirkte angespannt und konzentriert, ihr Gesichtsausdruck glich keinesfalls dem einer jungen Braut am Tag ihrer Hochzeit.
»Du hast aber auch ein Pech«, wiederholte er immer wieder, während er ihrem Bericht zuhörte.
»Ach was, ich bin doch gesund und lebe, ich bin sogar noch dazu gekommen, mich trauen zu lassen, aber dieses Mädchen . . .«, seufzte sie.
Draußen auf der Straße hatte man Tische aufgestellt, direkt vor dem Eingang, und führte improvisierte Trauungen durch. Zum Glück war der Tag frühlingshaft warm. Im Gebäude taten die Milizionäre und Gutachter ihre Arbeit, es fehlte hinten und vorn an Leuten, da man jeden befragen mußte, der im Moment des Mordes im Gebäude gewesen war, und das waren an die fünfzig Personen.
»Jura, ich muß fahren«, sagte Nastja zaghaft, mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. »Wir haben einen Tisch im Restaurant bestellt, unsere Verwandten erwarten uns.«
»Meinst du etwa, wir kommen ohne dich nicht zurecht?« brummte Korotkow.
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