Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Titel: Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
Vom Netzwerk:

    In diesem Moment ertönten plötzlich durchdringende Schreie. Es waren die Schreie einer Frau, in die gleich darauf weitere Frauenstimmen einfielen.
    »Dascha, warte hier«, sagte Nastja und stürzte durch die Tür hinaus in die Halle. Alexander und Ljoscha folgten ihr. Vor der Tür zur Damentoilette drängte sich eine schwarzweiße Menschenmenge aus Bräuten und ihren angehenden oder frischgebackenen Ehemännern. Mit dem Dienstausweis, den Nastja blitzschnell aus ihrer Handtasche geholt hatte und jetzt in ihrer hoch erhobenen Hand hielt, bahnte sie sich einen Weg durch die Menge.
    »Lassen Sie mich bitte durch, Miliz, Miliz, machen Sie den Weg frei!«
    Auf der Schwelle zur Damentoilette hielt sie inne. Auf dem gekachelten Fußboden lag ein junges Mädchen in einem eleganten Hochzeitskleid. Auf dem schneeweißen Grund des Kleides war in Brusthöhe ein zerlaufender roter Blutfleck zu sehen. Die Augen des Mädchens waren geöffnet, aber ihr Blick war starr. Sie war an einem Schuß gestorben, der sie mitten ins Herz getroffen hatte.
    Neben dem Mädchen kniete ein junger Mann in einem schwarzen Anzug auf dem Fußboden. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, es glich einer Maske. Nastja sah, daß er unter Schock stand und nicht in der Lage war, das Geschehene zu begreifen.
    Sie machte einen Schritt zurück, drehte sich mit dem Gesicht zur Menge und stützte die Arme zu beiden Seiten in den Türrahmen. Auf Zehenspitzen stehend, suchte sie mit ihrem Blick ihren Mann und ihren Halbbruder.
    »Sascha, Ljoscha, kontrolliert die Ausgänge. Niemand darf das Gebäude verlassen. Und achtet darauf, daß Dascha nicht in die Nähe kommt.«
    Das Blitzlicht eines Fotoapparates fuhr ihr in die Augen, und im nächsten Moment erkannte sie in einiger Entfernung den Fotografen von vorhin.
    »He, junger Mann, bitte kommen Sie hierher!« rief sie.
    Der Fotograf zwängte sich zu ihr hindurch.
    »Sie sind von der Miliz, ja?« fragte er in aufgeregtem Flüsterton. »Bitte erlauben Sie mir, ein paar Aufnahmen zu machen, das ist mein Brot, mein Verdienst.«
    »Was sagten Sie?«
    »Nun ja, ich möchte nicht, daß die andern mich hören . . . Wissen Sie, eigentlich bin ich Bildberichterstatter für den ›Kriminalboten‹, ich verdiene mir nur an den Samstagen etwas auf den Standesämtern dazu.« Er hielt Nastja seinen Dienstausweis hin. »Lassen Sie mich den Tatort fotografieren, ich bitte Sie.«
    »Ist gut, nur machen Sie schnell«, sagte Nastja entschieden. »Sie haben fünf Sekunden Zeit für die Aufnahmen, danach müssen Sie mir helfen.«
    Der Fotograf begann zu knipsen, ohne auf die empörten Ausrufe hinter seinem Rücken zu achten.
    Die vor Entsetzen kreidebleich gewordene Standesamtsleiterin zwängte sich durch die Menge, sie war eine noch ganz junge Frau mit blond meliertem, vom Färben ausgelaugtem Haar, das ihr das Aussehen eines seit langem nicht mehr geschorenen Bolognesers verlieh.
    »O mein Gott, o mein Gott. . .«, rief sie ein ums andere Mal händeringend aus.
    »Haben Sie die Miliz angerufen?« fragte Nastja.
    »Die Miliz?. . . nein . . .«, stotterte sie.
    »Dann rufen Sie sie an!« befahl Nastja ärgerlich. »Das heißt nein. Stellen Sie sich an die Stelle, wo ich jetzt stehe, und achten Sie darauf, daß niemand den Raum betritt. Und sprechen Sie den Bräutigam nicht an, er steht unter Schock. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ich . . . ja .. .«, stotterte die Bologneserdame erneut.
    »Wo ist hier ein Telefon?«
    »Bei mir . . . im Büro . . .«
    »Und wo ist Ihr Büro?«
    »Durch die Halle und dann rechts . . . es steht an der Tür.«
    Nastja stürmte durch die Halle, mit einem kurzen Seitenblick überzeugte sie sich davon, daß Tschistjakow gewissenhaft vor dem Eingang Wache stand und einem soeben eingetroffenen Brautpaar und den Begleitpersonen geduldig etwas erklärte. Sie stürzte in das Büro der Leiterin, riß den Hörer von der Gabel und wählte. Sie vernahm einen etwas dumpfen Baß in der Leitung.
    »Rufbereitschaft, Oberstleutnant Kudin.«
    »Ich grüße dich, Wassja«, sagte Nastja familiär. »Hier spricht die Kamenskaja.«
    »Oh, was verschafft mir die Ehre an einem arbeitsfreien Tag?«
    »Ein Mord, Wassja.«
    »Wo? Adresse? Telefonnummer? Ich notiere. Welches Standesamt? Nicht schlecht. Gleich, warte eine Minute.«
    Nastja hörte das Klicken des Kippschalters und dann Kudins Stimme irgendwo abseits im Raum: »Rufbereitschaft an Einsatztrupp . . . Rufbereitschaft an Einsatztrupp . . .« Dann war Kudins Stimme

Weitere Kostenlose Bücher