Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
.«
»Tamila, du bist sehr hart. Elja liebt ihn. Du hast natürlich in allem recht, aber. . .«
»Ach, laß doch, Pista, ich bitte dich.«
Tamila stellte einen Stapel schmutziger Teller in die Spüle, trat an ihren Mann heran, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte sich eng an ihn.
»Was versteht denn dieses kleine Dummerchen von der Liebe! Er hat besondere Qualitäten im Bett, das sieht man ihm deutlich an, und nur darum geht es. Sie will mit ihm in die Falle und mindestens einen Monat lang nicht mehr aufstehen. Aber was wird danach sein, wenn sie sich sattgegessen hat bis obenhin? Jetzt, wo es ihr nur ein-, zweimal die Woche gelingt, mit ihm allein in der Wohnung zu sein, glaubt sie, daß es keinen süßeren Kuchen auf der Welt gibt. Aber wir beide wissen doch, daß es so nicht ist. Nicht wahr, mein Lieber? Wir haben das alles doch selbst erlebt. Denk daran, welche Unannehmlichkeiten uns erwarten, wenn es uns nicht gelingt, die Geschäfte zum 1. Januar anlaufen zu lassen. Es werden bereits Firmenaktien verkauft, und wenn alles platzt. . .«
»Sicher, sicher«, sagte Bartosch zustimmend. »Wir dürfen nichts riskieren, wir haben zu viel auf diese Karte gesetzt. Aber Tami, Liebe, verstehst du nicht, daß ich beunruhigt bin?«
»Aber warum denn?«
»Ich habe das unangenehme Gefühl, daß alles zu gut zusammenpaßt. Ausgerechnet am Vorabend der Hochzeit dieser Brief, und dann der heutige Zwischenfall auf dem Standesamt.«
Tamila löste sich von ihrem Mann und sah ihn mißtrauisch an.
»Was willst du damit sagen? Verdächtigst du mich etwa? Denkst du, daß ich den Brief geschrieben habe?
»Tami. . .«
»Du Schweinehund! Wie kannst du es wagen! Jetzt sag bloß noch, daß ich auch dieses arme Mädchen auf dem Standesamt erschossen habe. Du bist ein Monstrum, Istvan Bartosch!«
Sie holte aus, um ihrem Mann ins Gesicht zu schlagen, aber der wich geschickt aus, ergriff ihren Arm und drehte ihn ihr gekonnt auf den Rücken. Tamila biß sich auf die Lippen vor Schmerz, ihr Blick bohrte sich haßerfüllt in Istvans graue Augen, doch bereits nach wenigen Augenblicken wurde ihr Gesichtsausdruck wieder weicher. Ja, Tamila Bartosch war eine herrschsüchtige und hartherzige Frau, aber ihrem Mann war sie nicht gewachsen, der war von einem anderen Kaliber. Das feine Benehmen und die Bildung, Erbe seiner nach westeuropäischen Standards lebenden Familie, waren nur eine hauchdünne Schicht, unter der sich ein Mensch verbarg, der mit allen Wassern der russischen Ganovenschule gewaschen war. Genau das hatte Tamila einst bestochen: der zurückhaltende, raffinierte Schönling, der im Bett hemmungslos und grob zupackte und seine sexuellen Empfindungen ausschließlich in Worte kleidete, die in keinem russischen Lexikon standen und die er mit einem zauberhaften magyarischen Akzent aussprach. Jetzt, während sie mit schmerzhaft auf dem Rücken verdrehtem Arm vor ihm stand und in seine kalte Augen sah, begriff sie, daß ihr Mann sie nicht nur verdächtigte, sondern sogar einverstanden gewesen wäre, wenn sein Verdacht sich bestätigt hätte.
Plötzlich blitzte in seinen Augen etwas auf, die Hand, die eben noch eisern ihren Arm festgehalten hatte, landete unvermittelt auf ihrem Schenkel. Istvan zog sie abrupt an sich heran und näherte seinen Mund ihrem Ohr.
»Umarme mich«, flüsterte er. »Elja beobachtet uns.«
Tamila wandte sich um. Auf der Türschwelle stand ihre Tochter, mit verweinten Augen und hilflosem Gesichtsausdruck.
»Was ist hier los? Warum hast du so geschrien, Mama?«
»Ich habe mit Oma Judith telefoniert«, erwiderte Tamila geistesgegenwärtig. Sie wußte, daß ihre Tochter nur ungarische Worte gehört haben konnte, die sie sowieso nicht verstand. »Sie hat eben aus Budapest angerufen, die Verbindung war sehr schlecht. Die Großmutter wollte dir zur Hochzeit gratulieren, und ich mußte ihr erklären, daß dein Bräutigam einen Autounfall erlitten und sich ein Bein gebrochen hat, so daß die Hochzeit verschoben werden mußte.«
Wieder begannen Tränen über die Wangen des Mädchens zu laufen. Elja drehte sich abrupt um und lief zurück in ihr Zimmer.
VIERTES KAPITEL
Der Streit vom Vortag hatte unangenehme Nachwirkungen, auch am Sonntag morgen herrschte kühle Stimmung zwischen Nastja und Tschistjakow. Sie stritten sich höchst selten, und nun war es ausgerechnet am Tag ihrer Hochzeit passiert. Ein wunderbarer Anfang für eine Ehe.
Aber wie dem auch sein mochte, jeden Augenblick konnte Jura Korotkow
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