Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
und die Weißen gleich, denn vor dem Roten gibt es kein Entrinnen. Die Farbe Rot macht alle gleich.
Rot auf Weiß – ermordete Bräute.
Später wird es Rot auf Schwarz sein. . .
* * *
Katja Golowanowa kam gegen acht Uhr abends von der Universität nach Hause. Korotkow erwartete sie geduldig auf einer Bank vor dem Haus. Er war bereits bei ihr zu Hause gewesen, hatte mit ihrer Mutter gesprochen und sich sogar ein Foto von Katja zeigen lassen. Deshalb erkannte er sie sofort.
»Guten Tag, Katja«, sagte er, während er sich erhob und ihr entgegentrat.
Das Mädchen blieb stehen und sah ihn erstaunt an. Sie war genauso alt wie Elena, aber sie wirkte älter, vielleicht deshalb, weil sie nichts von mädchenhafter Grazie und Leichtigkeit an sich hatte, dafür ein Übergewicht von mindestens acht oder zehn Kilo. Vielleicht lag es aber auch an den traurigen Augen und dem allzu ernsthaften Gesichtsausdruck.
»Ich heiße Jurij Viktorowitsch, ich bin von der Kripo«, stellte Korotkow sich vor. »Ich würde mich gern einmal mit Ihnen unterhalten.«
»Was ist passiert?« fragte das Mädchen erschrocken. »Was habe ich getan?«
»Nichts, gar nichts«, erwiderte Korotkow so freundlich wie möglich. »Ich möchte mich mit Ihnen über Ihre Freundin Elena unterhalten.«
»Um Gottes willen, was ist mit ihr?«
»Keine Angst, ihr ist nichts passiert. Wollen wir uns ein wenig auf die Bank setzen, oder möchten Sie lieber ein Stück Spazierengehen?«
Katja überlegte einen Moment, dann nahm sie ihre Aktentasche unentschieden in die andere Hand.
»Ich würde ganz gern Spazierengehen, aber die Bücher . . . Die Tasche ist schwer.«
»Geben Sie her. Ich trage sie.«
Korotkow nahm ihr die Tasche ab und war überrascht von ihrem Gewicht. Katja sah zwar nicht schwach und zerbrechlich aus, aber die Büchertasche mußte auch für sie reichlich schwer sein.
»Wie war Ihre Prüfung am Samstag?« fragte Korotkow beiläufig. »Haben Sie sie erfolgreich abgelegt?«
»Was für eine Prüfung?« fragte Katja erstaunt.
»Hatten Sie denn am letzten Samstag keine Prüfung?«
»Nein. Wie kommen Sie darauf? Am Samstag ist gar kein Unterricht an der Uni.«
»Verzeihen Sie, dann habe ich etwas verwechselt. Wo waren Sie denn am Samstag?«
Es entstand eine Pause, die Korotkow nicht gefiel. Katja ging schweigend neben ihm und schob mit der Spitze ihres Schuhs eine leere Safttüte vor sich her.
»Ich warte«, sagte Korotkow nach einer Weile. »Wo waren Sie am Samstag, Katja?«
»Zu Hause. Warum fragen Sie?«
»Und was haben Sie gemacht?«
»Hören Sie, Jurij Viktorowitsch, Sie haben gesagt, daß Sie sich mit mir über Elja unterhalten wollen. Statt dessen wollen Sie nun wissen, wo ich am Samstag war und was ich gemacht habe. Was hat das mit Elja zu tun?«
»Es hat durchaus etwas mit ihr zu tun. Ich wüßte gern, warum Sie nicht bei ihrer Trauung dabei waren. Welche unaufschiebbaren Angelegenheiten haben Sie gezwungen, an diesem Tag zu Hause zu bleiben? Schließlich ist Elena Ihre Freundin. Hat sie Sie denn nicht gebeten, sie zum Standesamt zu begleiten?«
Katja nickte stumm und fuhr beharrlich fort, die Papptüte vor sich her zu schubsen.
»Und warum sind Sie nicht dagewesen?«
»Ich wollte nicht.«
»Warum, Katja? Bitte zwingen Sie mich nicht, Ihnen jedes Wort aus der Nase zu ziehen. Es wurde ein Verbrechen begangen, ich sammle Informationen zu seiner Aufklärung, und Sie benehmen sich wie ein Kind. Dabei sind Sie eine kluge erwachsene Frau, die mir helfen kann. Und ich bitte Sie, das zu tun.«
»Sie machen mir Komplimente«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. »Aber wissen Sie, manchmal ist es besser, klein und dumm zu sein als erwachsen und gescheit.«
»Was heißt in diesem Fall ›besser‹? Wofür ist es besser?«
»Es ist vorteilhafter.«
»Was heißt das?«
Katja verstummte erneut. Diesmal währte die Pause noch länger.
»Ich bin zu Hause geblieben, weil ich nicht zu Eljas Hochzeit wollte«, sagte sie schließlich. »Genügt Ihnen das?«
»Nein, Katja, das genügt mir nicht. Ich bitte Sie um eine Erklärung.«
»Ich mag einfach Eljas Familie nicht. Die Bartoschs sind hochmütig und selbstgefällig. Ich fühle mich unwohl in ihrer Gesellschaft. Genügt es jetzt?«
»Und Eljas Bräutigam, mögen Sie den?«
»Ein Mann wie jeder andere«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Warum sollte ich ihn mögen? Elja muß ihn mögen.«
»Fühlen Sie sich in seiner Gesellschaft wohl, oder ist er wie Eljas Eltern?«
»In seiner
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