Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
derjenige gewesen sein, der heute im Standesamt geschossen hat, denn er kennt mich und hat mich erst gestern abend zum letzten Mal gesehen. Also hat er jemandem einen Auftrag erteilt und dem Killer eine genaue Beschreibung von mir gegeben. Deshalb meine Frage. Könnte der Mörder mich aufgrund der Beschreibung, die er von mir bekommen hat, mit dieser anderen Frau verwechselt haben?«
»Nein, ihr habt keinerlei Ähnlichkeit, mit Ausnahme der Haarfarbe«, erwiderte Tschistjakow, ohne zu zögern. »Aber du hast etwas Wichtiges vergessen, Nastja.«
»Was denn?«
»Heute hätte dich niemand anhand einer Beschreibung erkennen können. Gib mir mal das Foto, das man vor dem Standesamt von dir gemacht hat.«
Nastja kramte in ihrer Handtasche und holte das Polaroid-Foto hervor.
»Und jetzt schau in den Spiegel«, forderte Tschistjakow sie auf. »Siehst du? Im Spiegel bist du die, die du immer bist. Und genau so hat dich dieser Typ gesehen, dem du gestern begegnet bist. Stimmt’s? Und jetzt sag mir, ob das, was er gesehen hat, mit dem übereinstimmt, was auf dem Foto zu sehen ist. Hätte dich jemand aufgrund seiner Beschreibung erkennen können?«
»Verdammt«, sagte sie, »das habe ich nicht bedacht. Dann muß man davon ausgehen, daß er, nachdem er die ihm beschriebene Frau nicht entdecken konnte, unsere Wartenummer herausgefunden hat. Er hat das Paar mit der Wartenummer neun angesprochen und gefragt, wer als nächster dran ist. So einfach ist das!«
»Was ist einfach? Anastasija, was redest du? Will man dich umbringen?« fragte Ljoscha besorgt.
»Durchaus möglich. Aber reg dich nicht auf, man hat ihn bereits verhaftet. Sofern es sich wirklich um ihn handelt.«
»Gibt es noch andere Varianten?«
»Jede Menge. Eigentlich war die Kartaschowa gemeint, und die Drohbriefe und der zweite Mord sind nur Ablenkungsmanöver. Vielleicht war auch das Mädchen gemeint, das denselben Drohbrief bekommen hat wie ich. Oder es war die Frau gemeint, die auf dem Standesamt von Kunzewo erschossen wurde. Eine von uns vieren ist das wirkliche Opfer, und alles andere ist Theater.«
»Ein ziemlich blutiges Theater, muß ich sagen. Wofür so immense Anstrengungen?«
»Genau darüber denke ich auch nach . . . Man muß sich die Familien dieser Mädchen mal anschauen. Und in ihrem Umfeld nach einer Person suchen, die irgendwelche Verbindungen zu den Standesämtern hat. Denn der Mörder muß schließlich von irgendwoher gewußt haben, daß wir alle heute heiraten. Oder. . .«
»Oder was?«
»Oder es handelt sich um einen Psychopathen, der es auf Bräute abgesehen hat. Dann sind alle meine bisherigen Überlegungen sowieso für die Katz.«
»Hoffentlich ist es ein Psychopath!«
»Warum?«
»Wenn es einer ist, der es nur auf Bräute abgesehen hat, dann droht dir nichts mehr.«
»Aber Ljoschenka, Liebster, das würde doch bedeuten, daß jederzeit wieder ein Mord begangen werden kann. Es gibt nichts Schlimmeres als einen geisteskranken Mörder, weil er unberechenbar ist. Verstehst du das denn nicht? Dann wäre es immer noch besser, es wäre einer, der hinter mir her ist.«
»Nastja, ich verstehe nur eins: Ich will nicht Witwer werden. Ich will nicht, hörst du? Ich will nicht!«
»Bitte schrei nicht. Du hast genau gewußt, wen du heiratest. Du hast genau gewußt, daß wir bei der Miliz nicht mit Murmeln spielen.«
»Ich schreie nicht, ich . . .«
Er drehte sich abrupt um, ging aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Nastja machte eine verzagte Handbewegung und begann, ihr Bild im Spiegel anzustarren.
Das war also deine Hochzeit, dachte sie. Großartig! Nicht umsonst sagt man, daß es Unglück bringt, im Mai zu heiraten, und bei uns war es auch noch der dreizehnte. Mit dem Drohbrief hat es angefangen, und entsprechend war auch der Rest des Tages. Und jetzt, zum Schluß, auch noch der Streit mit Ljoscha. Sehr lustig, wirklich sehr lustig . . .
* * *
Elja Bartosch, deren Hochzeit am heutigen Tag nicht stattgefunden hatte, hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und schluchzte. Valerij Turbin, ihr Bräutigam, saß in Gesellschaft von Tamila und Istvan, die heute seine Schwiegereltern hätten werden sollen, am gedeckten Tisch und schwieg bedrückt.
»Ich bin der Meinung, daß nichts Schlimmes passiert ist«, sagte Tamila, während sie ihrem Mann appetitliche Fleischstücke auf den Teller legte. »Wenn ihr euch eurer Gefühle sicher seid, dann könnt ihr auch noch ein bißchen warten. Ihr könnt auch in einem Monat noch
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