Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
weiße Farbe vernichten, ich werde euch beweisen, daß ihr nicht besser seid als ich. Mehr noch, ich werde euch beweisen, daß ich besser bin als ihr Und danach werde ich sterben.
* * *
Die mehrstündige Unterhaltung mit dem zweifach vorbestraften Pawel Smitijenko machte Korotkow und Selujanow vieles klar und hinterließ großes Unbehagen. Jetzt war verständlich, warum die unglückliche alte Frau ständig umzog. Und ebenso schien nun verständlich zu sein, warum sie solche Angst vor einer Ehe zwischen ihrem Sohn und der Millionärstochter Bartosch hatte. Ihre Angst war keineswegs unbegründet.
Es geschah im heißen Sommer des Jahres 1967. Veronika Matwejewna war zweiundvierzig Jahre alt, ihre Eltern waren bereits beide gestorben, und sie lebte jetzt allein in der riesigen, prachtvollen Wohnung, in der bereits ihr Großvater das Licht der Welt erblickt hatte. Sie arbeitete als Dozentin an einem medizinischen Institut und befaßte sich ernsthaft mit dem Gedanken an eine Habilitation. Ihr schien, daß ihr Leben in sicheren Bahnen verlief und daß nichts ihr ruhiges, fest umrissenes Dasein verändern könnte.
Der Juni dieses Jahres war schwül und heiß, Veronika Matwejewna hielt die Fenster und die Balkontür ihrer Wohnung ständig geöffnet, um sich Erleichterung beim Atmen zu verschaffen. Wenn sie zu Hause war, verbrachte sie möglichst viel Zeit auf dem Balkon. Sie hatte einen kleinen Tisch und einen alten Korbsessel hinausgestellt und bereitete hier ihre Vorlesungen vor.
Eines Tages, als sie mit einer Tasse Tee in der Hand dasaß und auf die vor ihr ausgebreiteten Unterlagen blickte, erreichte sie plötzlich ein unangenehmer Geruch. Dieser Geruch war der Ärztin mit langjähriger Berufserfahrung gut bekannt und weckte Entsetzen in ihr. Es war der Geruch des Todes. Und er kam ganz offensichtlich vom Nachbarbalkon.
Veronika Matwejewna läutete sofort an der Tür der Nachbarwohnung, aber niemand öffnete. Sie wußte, daß in dieser Wohnung ein älteres Ehepaar wohnte und daß die Frau vor etwa zwei Wochen nach Kasachstan gefahren war, um ihre Tochter zu besuchen. Grigorij Philippowitsch, ihr dreiundsechzigjähriger Mann, war nicht mitgekommen, er wollte die Zeit auf der Datscha verbringen. Seit der Abreise seiner Frau hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
Veronika Matwejewna war beunruhigt und rief die Miliz. Es kamen zwei junge Sergeanten, die sich lange weigerten, die Wohnungstür aufzubrechen. Erst nachdem Veronika Matwejewna sie auf ihren Balkon hinausgeführt hatte und auch ihnen der aufdringliche Geruch in die Nase gestoßen war, schritten sie endlich zur Tat.
Grigorij Philippowitsch mußte vor etwa zehn Tagen gestorben sein. Die Leiche befand sich in jenem Stadium der Verwesung, in dem der Körper aufquillt, sich grün-schwarz verfärbt und das weiche Gewebe bereits in Schleim übergegangen ist. Einer der Sergeanten mußte sich übergeben, der andere verließ blitzartig die Wohnung und bestellte von Veronika Matwejewnas Telefon aus den Leichenwagen.
»Sie werden gleich da sein«, murmelte er, während er sich den Schweiß aus dem erbleichten Gesicht wischte. »Wieso hat das denn niemand bemerkt? Hat er keine Verwandten?«
»Seine Frau ist zu ihrer Tochter nach Kasachstan gefahren«, erklärte Veronika Matwejewna, »und ich habe mir keine Sorgen gemacht, weil ich dachte, daß er auf der Datscha ist. Wahrscheinlich ist er nach Moskau gekommen, um Lebensmittel zu besorgen, und dann hat das Herz versagt. . . Er war schon lange nicht mehr gesund.«
»Schrecklich«, seufzte der Sergeant. »So möchte man nicht sterben.«
Der Leichenwagen kam nach etwa anderthalb Stunden. Veronika Matwejewna sah durch die geöffnete Wohnungstür, wie die zusammengelaufenen Nachbarn draußen im Treppenhaus einem hochgewachsenen, breitschultrigen Mann Platz machten, der mit einer Klappbahre unter dem Arm die Treppe heraufkam.
»Sind Sie allein?« fragte der Sergeant verwundert, derjenige von beiden, der sich als der mit den stärkeren Nerven erwiesen hatte. Der andere saß halb bewußtlos unten im Auto.
»Warum denn nicht?« wunderte sich seinerseits der Leichenbestatter. »Gibt es hier keine Männer, die zupacken können? Wir kommen immer allein, uns fehlt das Personal.«
»Das hätte mir noch gefehlt«, antwortete der Sergeant bissig. »Sieh dir mal an, was da für ein Matsch liegt. Ich habe meine Arbeit gemacht, jetzt bist du dran. Leg los!«
Der Leichenbestatter zuckte mit den Schultern und betrat die Wohnung in
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