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Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Titel: Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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sagte er. »Man müßte so etwas wie ein Wachstuch haben, anders ist das nicht zu machen. Wir ziehen das Wachstuch unter ihm hindurch und heben ihn dann hoch.«
    Veronika Matwejewna stürzte im Laufschritt in ihre Wohnung. Ein paar Minuten später kam Pawel ihr nach und sah zu seiner Überraschung, daß sie in der Küche saß, den Kopf in den Händen.
    »Ich dachte, Sie suchen ein Wachstuch«, sagte er mißmutig. »Ich warte und warte auf Sie, und Sie sitzen hier.«
    »Ich kann nicht«, stöhnte sie auf. »Verzeihen Sie mir, Pascha. Ich kann wirklich nicht.«
    »Veronika Matwejewna, es muß sein. Nehmen Sie sich zusammen. Es ist Ihnen doch klar, daß das außer uns beiden niemand machen wird. Kommen Sie, meine Liebe, Sie sind doch eine so starke Frau.«
    »Nein, ich kann nicht.«
    »Dann trinken wir jetzt noch einen Schluck«, sagte der Leichenbestatter entschieden, goß ohne zu fragen noch einmal ein halbes Glas ein und drückte es Veronika Matwejewna mit sanfter Gewalt in die Hand.
    Sie kniff die Augen zusammen und trank. Nach ein paar Minuten fühlte sie sich tatsächlich besser. Warum um Himmels willen stellte sie sich nur so an! Sie war doch kein Kind mehr. Was sein mußte, das mußte sein.
    »Lassen Sie uns gehen, Pascha«, sagte sie und erhob sich schwerfällig vom Stuhl.
    Endlich lagen Grigorij Philippowitschs sterbliche Überreste auf dem großen Wachstuch. Sie ergriffen gemeinsam die vier Enden des Wachstuchs, hoben es an und hievten die Last auf die aufgeklappte Bahre.
    »Geschafft«, sagte der Leichenbestatter mit einem tiefen Seufzer, während er die freien Enden des Wachstuchs über der Leiche zusammenzog. »Das Schlimmste haben wir hinter uns. Jetzt müssen wir ihn nur noch hinuntertragen, zum Auto.«
    Er warf einen Blick ins Treppenhaus, wo sich außer dem grimmigen Sergeanten nur noch zwei besonders standfeste Männer aufhielten, deren Neugier stärker war als der Ekel vor dem Verwesungsgestank.
    »He, Männer«, sprach Pawel sie an, »kann einer von euch mal nach unten gehen und dem Fahrer Bescheid sagen? Er muß raufkommen und tragen helfen.«
    Ein paar Minuten später hörte man den Fahrer die Treppe heraufkommen. Plötzlich verstummten die Schritte, der Mann war stehengeblieben, und die Geräusche, die jetzt zu hören waren, besagten, daß er sich eine halbe Treppe tiefer erbrach.
    »So so«, bemerkte der Leichenbestatter freudlos, »auch der wird uns also nicht helfen. Dann müssen wir beide es eben machen, Veronika Matwejewna.«
    Sie begann leise zu weinen. Inzwischen saß sie wieder in ihrer Küche, und eben noch hatte sie große Erleichterung empfunden, weil sie geglaubt hatte, daß es endlich vorbei war.
    »Veronika Matwejewna«, beschwor sie Pawel, »überwinden Sie sich noch ein einziges Mal. Sie sehen doch, was los ist. Die Menschen sind ja nicht aus Eisen. Ich bin es gewöhnt, aber von den anderen kann man so etwas nicht verlangen.«
    »Ich bin auch nicht aus Eisen«, schluchzte sie auf. »Ich kann nicht mehr, lassen Sie mich in Ruhe, machen Sie, was Sie wollen, ich komme nicht mehr mit.«
    Pawel stand schweigend vor ihr und machte einen völlig verwirrten Eindruck. Veronika Matwejewna bekam plötzlich Mitleid mit ihm. Er konnte schließlich nichts für das Geschehene. Er war so rührend besorgt um sie, und sie ließ ihn im letzten Moment in Stich.
    »Gut, ich werde Ihnen helfen.«
    Sie trocknete sich die Tränen, goß sich noch ein Glas Wodka ein und trank es aus. Jetzt war sie soweit.
    »Sie gehen vorn«, sagte der Leichenbestatter umsichtig, als sie sich der Bahre genähert hatten »damit Sie nicht hinschauen müssen.«
    Sie nickte dankbar. Langsam und vorsichtig trugen sie die Bahre vom zweiten Stock auf die Straße hinunter und schoben sie ins Auto. Die Hecktür des Leichenwagens schlug zu.
    »So, nun haben wir es geschafft«, sagte Pawel mit einem Seufzer der Erleichterung. »Ich danke Ihnen, Veronika Matwejewna. Sie sind eine außergewöhnliche Frau.«
    Sie wandte sich wortlos ab und ging zurück ins Haus. Sie hatte keine Kraft mehr, noch etwas zu sagen.
    Auf dem Küchentisch stand noch die Wodkaflasche, sie war fast leer, nur noch ein winziger Rest bedeckte den Boden. Sie begriff, daß sie die ganze Flasche allein ausgetrunken hatte, Pawel hatte sich nur ein einziges Mal einen winzigen Schluck eingegossen. Sie wußte nicht mehr genau, was sie tat, als sie die Flasche in die Hand nahm und auch den Rest hinunterkippte. Ihr schien, daß der Alkohol überhaupt nichts bewirkt hatte,

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