Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
aufregend, sich mit ihr zu unterhalten, nach den Vorlesungen mit ihr bis zum späten Abend spazierenzugehen, sie bis zur Haustür zu bringen und sich immer wieder von seiner eigenen Anziehungskraft zu überzeugen. Katja verlor jedes Mal den Kopf, wenn er sie umarmte, und wäre Sommer gewesen, hätten sie sich wahrscheinlich nicht abhalten lassen und sich zwischen zwei Stockwerken im Treppenhaus aufeinander gestürzt. Aber es war Dezember, und die dicken Mäntel und Kleider waren im Weg.
Turbin war bereits drauf und dran, seine geliebten Griechen zum Teufel zu schicken und sich auf die Politologie zu verlegen. Er hatte vor, Katja einen Heiratsantrag zu machen, und dachte nur noch daran, wo und wie er einen Unterschlupf finden konnte, um vor der Hochzeit wenigstens ein einziges Mal mit ihr zu schlafen. Irgendwie war es unzeitgemäß, einem Mädchen einen Antrag zu machen, mit dem man noch kein einziges Mal Sex gehabt hatte.
Aber alles kam anders. Eines Tages brachte Katja ihre Freundin zur Uni mit, die reiche Nichtstuerin Elja, Tochter eines millionenschweren Geschäftsmannes. Und Valerij machte einen Rückzieher. Elja erwies sich als allzu leichte Beute, sie besaß keinerlei Verstand, aber Temperament und ein großes Bedürfnis nach Sex. Und einen reichen Vater, der Valerij zweifellos irgendeinen unaufwendigen, aber einträglichen Posten in seiner Firma verschaffen konnte.
Es kostete nicht die geringste Mühe, der dümmlichen, hübschen Elja den Kopf zu verdrehen. Valerij sah, wie Katja litt. Er verfluchte sich selbst, aber vor die Wahl zwischen ihr und den alten Griechen gestellt, entschied er sich doch für die Griechen. In weiser Voraussicht bestand Valerij darauf, daß Elja ihren Eltern verheimlichte, daß das Aufgebot bereits bestellt war. Es war ihm völlig klar, daß die Bartoschs nicht darauf erpicht waren, ihn als Schwiegersohn in die Arme zu schließen. Er wollte, daß Elja ihn heimlich heiratete und ihre Eltern nach der Trauung vor vollendete Tatsachen stellte, damit ihnen nichts anderes mehr übrigblieb, als sich abzufinden. Aber Elja hielt es natürlich nicht aus und verplapperte sich. Die letzten zwei Wochen vor der Hochzeit wurden zur Hölle. Die zynische Tamila mit ihrer giftigen Zunge ließ ihnen keine Ruhe, unentwegt mußten sie sich anhören, daß es ein Unding war, Hals über Kopf zu heiraten, nur um endlich miteinander ins Bett springen zu können. Sie war klug genug, um die Situation richtig einzuschätzen. Da war ihr zartes, verwöhntes Töchterchen, das daran gewöhnt war, alles zu bekommen, was es wollte, und da war dieser mittellose Aspirant, der daran gewöhnt war, alles mit Hilfe seiner Lenden zu bekommen.
Turbin ertrug mit zusammengebissenen Zähnen Tamilas schmutzige Bemerkungen und Eljas hysterische Anfälle. Tröstlich schien, daß das Familienoberhaupt selbst, der Millionär Istvan Bartosch, dem Bräutigam seiner Tochter durchaus wohlgesonnen zu sein schien, er beteiligte sich jedenfalls nicht an den Attacken seiner Frau, sondern zwinkerte Valerij teilnahmsvoll zu. Turbin hatte den Eindruck, daß er zu der Sache anders stand als seine Frau, jedenfalls sah es so aus, als würde er seinen zukünftigen Schwiegersohn schon nicht verderben lassen.
Um alles das zu ertragen, brauchte Turbin so viel Kraft, daß ihm die zwei Wochen erschienen wie zwei Jahrzehnte. Dazu kam Widerstand von einer Seite, von der er ihn niemals erwartetet hätte, nämlich von seiner eigenen Mutter. Aus irgendeinem Grund hatte sie etwas gegen die Hochzeit. Vielleicht aus Angst davor, als alte Frau allein zu bleiben, vielleicht gefiel ihr die hirnlose, nichtsnutzige Elja nicht, vielleicht war es einfach die übertriebene Sorge einer Mutter, der niemand gut genug war für ihr Kind.
Am Morgen des 13. Mai erwachte Valerij mit dem Gedanken daran, daß er es geschafft hatte. Er hatte es wirklich geschafft. Er hatte nicht die Beherrschung verloren, hatte sich Tamila gegenüber keine Grobheit erlaubt, hatte Elja nicht geohrfeigt, obwohl beide es verdient hätten. Er hatte alles über sich ergehen lassen, ohne sein Gesicht, ohne seine Würde zu verlieren. Und damit hatte er seinem zukünftigen Schwiegervater gleichzeitig sein Durchhaltevermögen und seine Kaltblütigkeit bewiesen. Das konnte ihm durchaus nützlich werden im Hinblick auf einen Job in der Firma.
Im Standesamt angekommen, fühlte Turbin sich bereits als Eljas Ehemann, als plötzlich . . . In einem einzigen Moment war alles aus. Schreie, Panik, das
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