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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Woronzow träumte davon, ein unabhängiges Herzzentrum aufzubauen, ähnlich wie das des Augenarztes Fjodorow, aber dafür brauchte er Sponsoren, die ihn die ersten anderthalb bis zwei Jahre finanziell unterstützten, bis das Zentrum auf eigenen Beinen stand. Woronzow hatte bereits mehrfach Einladungen an große Kliniken und medizinische Zentren im Ausland erhalten, sie aber hartnäckig abgelehnt, mit der Begründung, die Gesundheit seiner Landsleute sei ihm wichtiger. Er hatte seine Idee gehegt und gehätschelt, hatte gehofft, das Zentrum noch vor seinem siebzigsten Geburtstag eröffnen zu können, hatte Sponsoren gefunden und sich gefreut wie ein Kind, dass alles so gut lief. Und nun auf einmal das . . .
    »Moment mal«, Gordejew wandte sich seiner Frau zu, »man hatte ihm doch an zwei Stellen Unterstützung zugesagt. Welche davon hat ihn denn abgewiesen?«
    »Das ist es ja, alle beide«, erwiderte Nadeshda Andrejewna traurig.
    »Nun ist Vater wütend?«, fragte Gordejew mitfühlend.
    »Er ist verzweifelt, und das ist viel schlimmer. Hoffentlich wirft ihn das nicht um.«
    Alle beide! Winogradow verlor keine Zeit. Gordejew zweifelte keinen Augenblick daran, dass er dahinter steckte.
    Der Oberst rief zunächst Samochin in der Pressestelle an, dann einen weiteren Mann, der ihm half, wie er sagte, Wahrheit und Tatsachen auseinander zu halten. Lange lief er in seinem Büro auf und ab, rieb sich die Glatze, ging mehrmals zur Tür und hatte schon die Hand auf der Klinke, überlegte es sich aber immer wieder anders, drehte sich abrupt um und setzte sein chaotisches Umherwandern fort.
    Igor Lesnikow kam herein.
    »Viktor Alexejewitsch, Golzow hat aus dem Krankenhaus angerufen. Natascha Kowaljowa . . .«
    »Ja? Was ist los?« Gordejew schreckte auf.
    »Sie hatte in der Nacht einen schweren hysterischen Anfall, hat um sich geschlagen und geschluchzt, sie konnte nur mit Mühe zur Ruhe gebracht werden. Und heute hat sie angefangen zu reden.«
    »Warum dann die Leichenbittermiene?«
    »Ihr Vater hat verboten, Kriminalisten zu ihr zu lassen.«
    »Was heißt verboten?« Gordejew verschluckte sich vor Ärger. »Für wen hält er sich? Für den obersten Psychiater des Landes?«
    »Er hat gesagt, das Mädchen sei zu schwach, um auszusagen. Die Erinnerung an den traumatischen Vorfall könne sie zu sehr aufregen, und sie würde wieder verstummen. Er als Vater verlange, dass sein Kind nicht beunruhigt würde. Ihre Mutter sitzt im Krankenhaus die ganze Zeit bei ihr. Mit einem Wort, die Grenzen sind dicht. Golzow hat versucht, ihn zu überzeugen, dass wir wenigstens eine ungefähre Beschreibung des Täters brauchen, aber Kowaljow hat durch die ganze Station gebrüllt, lieber sollten zehn Vergewaltiger frei rumlaufen, wenn dadurch die Gesundheit seines Kindes geschützt werden könne.«
    »Klar doch, klar.« Der Oberst nickte nachdenklich. »Sollen doch die Vergewaltiger frei rumlaufen, sollen sie doch fremde Kinder vergewaltigen und töten, Hauptsache, sein Kind wird gesund. Ammenmärchen für die Ärzte und für seine Frau. In Wirklichkeit reißt er sich den Arsch auf, um Winogradow zu helfen, der wird sich schon erkenntlich zeigen. Wenn Awerin Premierminister wird, dann ist Kowaljow obenauf, und der ewige Dank des neuen Premierministers ist ihm sicher. Wenn’s nicht klappt, dann bringt ihn Winogradow in irgendeiner russisch-ausländischen Firma unter. Ja, ohne Winogradow ist Kowaljow aufgeschmissen. Er wird alles tun, um ihm seine Treue zu beweisen. Was für ein Dreckskerl!«
    Gordejew schob energisch seine Brille beiseite und schlug sanft, aber kräftig mit beiden Händen auf den Tisch.
    »Geh an deine Arbeit, Igor. Gib mir zwei, drei Tage, dann kannst du tun, was immer der Untersuchungsführer und du für nötig haltet. Ich sag dir Bescheid, wenn ich so weit bin. Geh jetzt. Ja, und schick die Kamenskaja zu mir.«
    »Komm rein, Anastasija«, begrüßte er Nastja fröhlich. »Erzähl.«
    »Was ist los mit Ihnen, Viktor Alexejewitsch?«, fragte Nastja erstaunt. »Haben Sie was zu feiern?«
    »Nein, ich habe bloß eine Entscheidung getroffen, daher meine gute Laune. Du weißt doch, ich fange nie als Erster eine Prügelei an, und bevor ich zurückschlage, überlege ich lange. Ich bin auf meine alten Tage vorsichtig geworden. Aber nun habe ich mich entschieden, und jetzt ist mir leichter. Was ist mit der Filatowa? Wo sind deine zweihundert?«
    Nastja seufzte schuldbewusst. Was sie sagen wollte, war ungebührlich dreist gegenüber einem

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