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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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schon auf seine Seite gezogen, nun will er bei der nächsten Plenartagung seinen Chef als Premier durchkriegen. Und wir müssen den jetzigen Premier am Ruder halten, wir sitzen ja mit ihm in einem Boot. Also müssen wir kämpfen.«
    »Was macht eigentlich deine kleine Blondine? Hast du die noch? Vielleicht überlässt du sie ja mir, wie?«, stichelte der Auftraggeber. »Sie ist doch zu alt für dich, du magst sie doch lieber ganz jung.«
    »Hör auf, ich bitte dich«, bat der Organisator mit leiser Resignation. »Mir geht’s schon beschissen genug.«

Siebentes Kapitel
    Am Freitag beehrte Pawlow die Petrowka erneut mit einem Besuch.
    »Was gibt es Neues, Anastasija Pawlowna? Ich halte mein Wort, heute habe ich keine Eile, also erzählen Sie mir vom Stand der Ermittlungen, dann erzähle ich Ihnen von Irina.«
    Nastja erzählte ihm brav, welche interessanten Entdeckungen Dozenko und Larzew gemacht hatten, die die Interpol-Linie verfolgten. Türkische Extremisten bezogen aus Berg-Karabach Waffen, die sie mit Drogen bezahlten. Durchaus möglich, dass die Filatowa ermordet wurde, um Idzikowski einzuschüchtern, weil er einer Gruppe russischer Staatsbürger, die als Mittelsmänner fungierten, gefährlich nahe auf den Fersen war. Pawlow revanchierte sich mit lyrischen Erinnerungen:
    »Irina hat die Trennung von ihrem Mann nur schwer verkraftet. Sie wollte sogar ihre Doktorarbeit hinschmeißen, obwohl sie kurz vor dem Abschluss stand. Alles erschien ihr plötzlich sinnlos: die Arbeit, die Liebe. Sie hat Gedichte geschrieben, wussten Sie das?«
    »Nein, das hat uns niemand erzählt.«
    »Sehen Sie. Sie war verschlossen, sie hat ihre Gefühle niemandem mitgeteilt. Erst später, als wir uns wirklich nahe standen, hat sie mir einiges aus dieser Zeit zu lesen gegeben. Das hier zum Beispiel:
    Allein bin ich im Trott der Tage,
dem uferlosen Ozean.
Mein Schiff hält allen Stürmen stand,
niemals sinkt es auf den Grund.
Ich bin traurig, ich bin müde,
es tut so weh und es ist seltsam.
Nirgends kann ich Anker werfen
auf dem Weg ins Nirgendwo.«
    »Ein gutes Gedicht«, Nastja nickte anerkennend.
    »Mehr als gut«, fiel Pawlow euphorisch ein, »es ist wundervoll! Irina hatte für alles Begabung, nicht nur für die Wissenschaft. Und das hat sie geschrieben, nachdem sie ihre Mutter begraben hatte:
    Verhüte Gott, dass du erlebst dereinst,
die Finsternis, erfüllt von Angst und Kälte,
wenn hoffnungslos, als wär‘s der Weg zur Richtstatt,
das Morgen scheint, so unnütz, kalt und leer:«
    »Ich danke Ihnen, Alexander Jewgenjewitsch«, sagte Nastja am Ende des Gesprächs herzlich. »Kommen Sie wieder mal vorbei. Sie wissen doch, je besser wir Irinas Charakter kennen lernen, desto leichter wird unsere Arbeit. Aber ab jetzt wenden Sie sich bitte an Gordejew. Ich gehe in Urlaub.«
    Als sich die Tür hinter Pawlow geschlossen hatte, lächelte Nastja spöttisch vor sich hin. Wer hätte gedacht, dass die Gedichte, die sie Vorjahren geschrieben hatte, als ihre Liebe nicht erwidert wurde, ihr einmal einen solchen Dienst erweisen würden. Es hatte sich sogar jemand gefunden, der sie zu schätzen wusste, sie »mehr als gut«, ja »wundervoll« fand. Allerdings war er zwar Sachverständiger, aber nicht für Poesie. Er würde jedes Gedicht gut finden.
    Also, Alexander Jewgenjewitsch, ich habe Sie beim Lügen erwischt. Sie haben ein hübsches Sümmchen hingeblättert, um uns glauben zu machen, dass Sie Irina Filatowa seit langem und sehr gut kennen. Sie interessieren sich hartnäckig für den Stand der Ermittlungen und werfen uns dabei Bröckchen hin, die wir selbst für Sie ausgestreut haben. Was wollen Sie erreichen?
    Betrachten wir die Sache mal von einer anderen Seite. Wenn wir den Angaben aus der Abteilung für Koordinierung und Planung des Instituts Glauben schenken, war die Filatowa in den dreizehn Jahren, die sie dort arbeitete, nie in Ihrer Heimatstadt Ensk. Vielleicht ist sie privat hingefahren? Weder ihr Vater noch ihre Freundinnen oder ihre Liebhaber haben so etwas erwähnt, aber bei Irinas Verschlossenheit wäre es immerhin möglich. Aber wenn, warum dann die Geheimniskrämerei? Warum hätte sie diese Reisen geheim halten sollen? Wie auch immer, sie hat sich für das Gebiet Ensk interessiert, und zwar nicht generell für die Entwicklung der Kriminalität dort, sondern nur für eine einzige Frage. Und die Antwort darauf offenbar auch gefunden.
    Nastja holte das rätselhafte Blatt der Filatowa hervor, bei dem jetzt alles klar war. »R«

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