Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
Zärtlichkeit schier vergangen war.
»Eure Spaziergänge sind eigentlich viel schlimmer als eine Bettgeschichte«, bemerkte er. »Wenn mir zu Ohren käme, dass die Frau, die ich liebe, Seligkeit empfindet, wenn sie mit einem anderen Mann im Park spazieren geht, würde ich vor Eifersucht umkommen. Dann sollte sie lieber bloß mit ihm schlafen, das ist nicht ganz so kränkend. Ein schlechter Liebhaber zu sein ist keine Schande, dafür kann keiner. Aber zu erfahren, dass du langweilig und uninteressant bist, das ist etwas ganz anderes. Da kann man sich doch gleich aufhängen.«
»Schön, dass du das verstehst«, sagte Nastja spöttisch.
Sie schenkte Stassow Tee ein, sich selbst Kaffee, stellte einen großen flachen Teller mit den Käsetoasts auf den Tisch und setzte sich Stassow gegenüber.
»Und jetzt«, sagte sie, nahm einen kleinen Schluck und setzte ihre Tasse wieder ab, »jetzt wirst du mich fragen, warum ich dir das alles erzähle. Stimmt’s? Wir sehen uns zum ersten Mal, kennen uns noch keine fünf Minuten, und ich rede mit dir so vertraulich. Verdächtig, oder?«
»Na ja, eigentlich . . . Natürlich ist das verdächtig. Du hast mir einen Bären aufgebunden, ja? Um mich zu testen?«
»Nein, ich sage die Wahrheit. Aber ich habe keine Wahl, Stassow. Und wenn man keine Wahl hat, ist die Sache ganz einfach. Dann gibt es nur einen Weg, und den muss man gehen, ob man will oder nicht. Ich muss einen Mord aufklären, und dafür brauche ich dich. Dir etwas zu verbergen, dich anzulügen oder, wie du sagst, dir einen Bären aufzubinden, wäre gefährlich. Du könntest mich bei meiner Unaufrichtigkeit ertappen, und dann wird es nichts mit uns beiden. Ich muss gut Freund mit dir sein.«
Stassow schauderte innerlich. Konnte sie etwa in ihn hineingucken? Andererseits – sie war so offen, so geradeheraus . . .
Er nickte. »Seien wir Freunde. Versteh mich nicht falsch, ich arbeite erst seit einem Monat bei Sirius. Einerseits bin ich natürlich daran interessiert, dass der Mord an Alina aufgeklärt wird, egal, wer es tut, ihr, ich oder wir alle zusammen. Hauptsache, der Mörder wird gefasst. Wenn nicht, wäre das für euch nicht weiter schlimm, aber mir würde Masurkewitsch den Kopf abreißen. Was soll er mit einem Sicherheitschef, wenn seine Spitzenschauspielerinnen ungestraft ermordet werden können? Verstehst du, was ich meine?«
»Klar«, antwortete Nastja mit einem spöttischen Lachen.
»Andererseits habe ich in diesem einen Monat noch nicht viel Einblick bekommen, kenne die Leute noch nicht so gut, und überhaupt. . . Kurz, ich bin eine schwache Stütze. Aber betrachte mich einfach als eine zusätzliche Arbeitskraft. Als einen mehr in eurem Team. Du kannst voll auf mich zählen.«
»Das kann ich nicht.« Nastja seufzte. »Es gibt ein ›Aber‹. Und jetzt bist du an der Reihe, offen zu sein. Und genau wie ich hast auch du keine Wahl, Slawa. Der Chef des Filmkonzerns Runiko, Boris Rudin, wollte dich unbedingt engagieren. Das Gehalt, das er dir geboten hat, wäre doppelt so hoch gewesen wie das, das du von Masurkewitsch bekommst. Trotzdem arbeitest du bei Sirius. Und das bringt mich auf den Gedanken, dass dich mit Masurkewitsch irgendetwas verbindet, etwas Persönliches oder aber etwas Finanzielles, Geschäftliches. Sollten die Ermittlungen also die Interessen von Masurkewitsch oder seiner Frau berühren, dann wirst du mich nicht unterstützen. Mehr noch, du wirst mich behindern. Also, zerstreue bitte meine Zweifel. Und erzähl mir nicht, dass Rudnik der Liebhaber deiner Exfrau ist und du darum nicht bei ihm arbeiten wolltest. Das ist für mich kein Argument, zumal bei der Gehaltsdifferenz, dafür pfeift man doch auf seine Frau, erst recht auf die Geschiedene.«
Donnerwetter! Die Kamenskaja hatte sich offensichtlich bestens auf die Begegnung mit ihm vorbereitet. Ihre beiläufig abgeschossenen Pfeile trafen mitten ins Schwarze. Keine Chance sie anzulügen – wer weiß, wie tief sie gegraben hatte, und er wollte sich nicht beim Schwindeln erwischen lassen. Zudem wäre es dumm gewesen. Sie brauchte ihn, doch auch er brauchte sie. Aber sie irrte sich, er hatte eine Wahl, und er würde sie treffen müssen, diese Wahl, gleich jetzt und hier, in dieser Küche. Er musste entscheiden, ob er Xenija Masurkewitsch decken sollte. Wenn sie Alina Wasnis ermordet hatte und der Sicherheitschef die Frau seines Chefs ans Messer lieferte, dann würde dieser Sicherheitschef für den Rest seiner Tage keine Arbeit mehr finden. Das war
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