Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
an Tatossow war nie aufgeklärt worden, und nun war Alina die Einzige außer Smulow, die die Wahrheit kannte. Als er ihre Stimme am Telefon gehört hatte, war ihm klar gewesen: Sie würde keine Ruhe geben, sie würde ihn nicht decken. Er war nur deshalb ihr Abgott gewesen, weil er eine schreckliche Sünde auf sich geladen hatte, um sie zu retten. Dass dem nicht so war, würde ihrer Liebe und Bewunderung ein Ende bereiten. Sie würde ihn ohne Zögern ausliefern.
Nach den Dreharbeiten ging er in Begleitung mehrerer Personen (absichtlich, um eine Aussprache zu vermeiden) zu Alina.
»Du bist heute irgendwie nicht in Form. Wir haben dieses Studio nur noch zwei Tage, wir können uns keine verschenkten Takes leisten. Fahr nach Hause, Liebste, nimm was zur Beruhigung und leg dich hin. Du musst dich ordentlich ausschlafen.«
Er beugte sich zu ihr, küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr zu:
»Ich komme heute Abend vorbei, dann reden wir über alles. Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung, das versichere ich dir. Du hast dich getäuscht.«
Am Abend, gegen elf, kam er zu Alina. Es stand noch schlimmer, als er vermutet hatte.
»Red mir ja nicht ein, ich wäre verrückt!«, schrie Alina. »Red mir nicht ein, ich hätte mich getäuscht. Ich war heute da, ich habe ihn gesehen und mit ihm geredet. Er hat mir erzählt, wie du ihn überredet hast wegzufahren und dass du ihm Geld geschickt hast. In Wirklichkeit hast du einen anderen getötet, einen gewissen Tatossow. Ich kannte ja den Namen von diesem Irren nicht. Die Milizionäre haben mich nach Tatossow gefragt, und ich Idiotin dachte, das sei er. Ich habe dich gedeckt! Du hast mich zur Komplizin gemacht! Du Mistkerl, du kalter, herzloser Mistkerl! Du hast mich einfach benutzt, du hast meine Treue und Dankbarkeit ausgenutzt!«
Er hatte sofort bemerkt, dass Alina Tabletten genommen hatte. Ihre Bewegungen waren schlaff, irgendwie verzögert, sie sprach zeitweise verworren. Smulow wurde immer klarer, dass es kein Zurück gab. Er musste sie töten.
»Ich hasse dich«, murmelte sie, erschöpft von ihrer langen Rede. »Mein Gott, wie ich dich hasse. Du bist mir zuwider. Du warst so wundervoll in meinen Augen, solange ich dachte, du hättest DAS für mich getan. Aber du . . . Ich habe dich all die Jahre ertragen, weil ich meine Schuld begleichen wollte. Und nun stellt sich heraus, ich schulde dir gar nichts. Und du hast mich in einen Mord hineingezogen . . .«
Das ertrug er nicht. Er drückte ihr das Kissen so lange aufs Gesicht, bis sie sich nach einem letzten Zucken nicht mehr regte.
Dann atmete er tief durch, um wieder zu sich zu kommen. Er sah sich um. Als Erstes fand er die Tagebücher. Er wusste genau, wo sie lagen. Er streifte die Glacehandschuhe über, die er mitgebracht hatte, blätterte vorsichtig alle Hefte durch und suchte in dem mit großer runder Schrift geschriebenen Text nach Stellen, wo der Irre erwähnt wurde. Ein Heft war alt, es endete im März, darin fand Smulow nichts, das für ihn gefährlich werden konnte. Das zweite Heft hatte Alina Mitte April begonnen, auch gestern und heute hatte sie etwas geschrieben. Das musste weg. Da stand alles drin. Gut, das letzte Heft würde er also vernichten, das davor aber mitnehmen, vielleicht konnte er es noch gebrauchen.
Smulow untersuchte gründlich alle Orte, an denen Alina ihre Medikamente aufbewahrte, entfernte alle Tranquilizer und steckte sie ein. Mühelos fand er den Umschlag mit dem Geld, das Charitonow gebracht hatte. Ihren Schmuck versteckte Alina nie, sie hatte keine Angst vor Dieben. Sie hatte überhaupt vor nichts Angst, außer allem, was irgendwie mit Woloschin zusammenhing. Er wischte einige Flächen ab, auch die Türklinken und den Klingelknopf. Dann spülte er sorgfältig zwei Tassen, die er aufs Geratewohl vom Geschirrbrett nahm. So, das war wohl alles. Die perfekte Illusion, dass ein Fremder in der Wohnung war und seine Spuren beseitigt hat. Ein Fremder, nicht Smulow, der Alina regelmäßig besuchte, quasi bei ihr wohnte. Spuren von ihm gab es natürlich in der ganzen Wohnung – selbstverständlich. Dass Xenija Masurkewitsch große Mengen Beruhigungsmittel schluckte, wusste jeder. Mochte der Verdacht ruhig auch auf sie fallen. Und auf Charitonow. Und auf Gott weiß wen noch . . . Nur nicht auf ihn, Andrej Smulow.
Zu Hause verbrannte er Alinas letztes Tagebuch und spülte die Asche in der Toilette hinunter. Das alte Heft würde er am Montag Pawel Schalisko unterschieben. Wenn die Detektive
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