Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
Pässe und blätterte sie kurz durch.
»Natascha Alexandrowna, warum kennt man Sie an Ihrem Arbeitsplatz unter dem Namen Sagrebina? In Ihrem Pass steht ein anderer Name. Auch an den Orten, wo Sie sich an den Abenden so hingebungsvoll zu vergnügen pflegen, kennt man Sie als Sagrebina. Was hat das zu bedeuten?«
»Ich habe geheiratet«, erklärte Natascha gleichgültig.
»Und wo ist Ihr Mann, wenn ich fragen darf?«
»Keine Ahnung. Wir haben uns gleich wieder scheiden lassen.«
»Heißt das, Sie haben Ihren Pass nicht auf den neuen Namen umschreiben lassen und an Ihrem Arbeitsplatz die Heiratsurkunde vorgelegt, in der steht, dass Sie den Namen Ihres Mannes angenommen haben?«
»Klar.«
»Aber Natascha . . .«, mischte sich Derbyschew ein. »Du hast geheiratet? Wann? Warum hast du mir nichts davon gesagt? Und überhaupt, warum hat man dich hierher gebracht?«
»Mann, halt doch die Klappe, mit dir rede ich nicht«, versetzte Natascha.
Tomtschak, Strelnikow und Leontjew schwiegen. Sie wirkten so verdattert, als sei ihnen ein Gespenst erschienen. Wieder fasste Anna Leontjewa sich als Erste. Sie wandte sich an Natascha.
»Verzeihung, Sie haben vorhin von einer Vergewaltigung gesprochen. Was wollten Sie damit sagen?«, fragte sie empört. »Wer ist Ihre Mutter?«
»Natascha Alexandrownas Mutter hieß Nadeschda Ro-manowna Zukanowa«, erklärte der Untersuchungsführer. »Sagt Ihnen dieser Name etwas?«
»Ich höre ihn zum ersten Mal«, erwiderte Anna schnell.
Es trat ein verhängnisvolles Schweigen ein. Annas Mann und seinen zwei Freunden war deutlich anzusehen, dass sie diesen Namen nicht zum ersten Mal hörten. Und da begriff Nastja, in was für eine schreckliche Situation sie alle geraten waren. Wenn Nadeschda Zukanowa wirklich von einem der einstigen Kommilitonen vergewaltigt worden war. . . Es konnte ja durchaus Strelnikow gewesen sein. Und dann war Natascha seine Tochter. Was bedeutete, dass sein ehelicher Sohn mit seiner eigenen, unehelich geborenen Schwester schlief. Gleich würde das zum Gegenstand öffentlicher Diskussion werden, und das in Anwesenheit von Strelnikow senior und junior. Und wenn Leontjew der Vergewaltiger war? Neben ihm saß schließlich seine Frau. Das konnte heiter werden . . .
Olschanskij hatte die Zusammenhänge schnell erfasst.
»Anna Georgijewna, ich muss Sie bitten, den Raum zu verlassen und auf dem Korridor zu warten. Igor, bringen Sie bitte auch Sascha Strelnikow hinaus. Ich werde Sie wieder rufen, wenn es nötig ist.«
»Ich werde nicht hinausgehen«, protestierte die Leontjewa. »Ich möchte wissen, was für eine schmutzige, verleumderische Geschichte diese unverschämte Person meinem Mann und seinen Freunden anzudichten versucht.«
»Anna Georgijewna«, erwiderte der Untersuchungsführer mit erhobener Stimme, »bitte zwingen Sie mich nicht zu wiederholen, was ich eben schon gesagt habe. Verzeihen Sie, aber in diesem Büro gelten meine Befehle und nicht Ihre Wünsche.«
Anna erhob sich und verließ das Zimmer mit hoch erhobenem Kopf, laut mit den hohen Absätzen ihrer modischen Herbststiefel klappernd. Hinter ihr wurde Sascha Strelnikow hinausgeführt.
»So, meine Herren«, sagte Olschanskij mit gedämpfter Stimme, »jetzt können wir offenbar mit der Unterhaltung beginnen, wegen der ich Sie hierher gebeten habe. Lassen Sie uns anfangen.«
Dreizehntes Kapitel
Schon lange bevor Derbyschew die Familie verlassen hatte, wusste Natascha, dass er ihre Mutter betrog. Sie war ein sehr neugieriges Mädchen, das nie eine Gelegenheit ausließ, in einer fremden Tasche herumzuwühlen. Sie war keine Diebin, Gott bewahre, sie stahl nie etwas. Sie war einfach neugierig. Natascha Zukanowa war erpicht auf Geheimnisse, und ihre Lieblingsbeschäftigung bestand darin, andere heimlich zu beobachten oder zu belauschen. Als sie in Derbyschews Jackentasche zum ersten Mal einen Zettel mit dem Namen und der Adresse einer Frau entdeckte, war sie siebzehn Jahre alt. Natürlich konnte sie sich nicht zurückhalten und fuhr zu der Adresse, die der Mann ihrer Mutter in seiner Jackentasche herumtrug. Und sie fand heraus, dass Viktor sich mit dieser Frau traf. Seitdem beobachtete sie ihren Stiefvater auf Schritt und Tritt.
Natascha liebte ihre Mutter über alles, deshalb sagte sie ihr nichts. Doch mit jeder neuen Geliebten, die Derbyschew sich nahm, wuchs ihr Hass gegen ihn. Ihre Mutter liebte diesen Bastard, sie hatte sogar ihren Sohn nach ihm benannt, und er . . . Dieser Schweinehund. Dieser
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