Anathem: Roman
dass sich da drüben eine Unmenge von Politik zwischen Ita und Hierarchen abspielt, von der wir nichts wissen.«
»Das muss so sein. Sonst wären sie keine Menschen«, sagte Lio.
Dann wandte er die Hypotrochische Transquästiation auf mich an: Er wechselte das Thema so, dass der Eindruck entstand, die Frage sei gerade entschieden worden – und er hätte seine Ansicht gegen mich durchgesetzt. »Also zurück zu meiner Frage: Tut Sammann auf der Tafel sonst irgendetwas, was dir eine Botschaft vermittelt – oder zumindest darauf hindeutet, dass er weiß, dass dieses Bild aufgezeichnet wird?« Er pfefferte seinen Wetzstein in den Fluss.
Die korrekte Antwort auf die Hypotrochische Transquästiation lautete: He, nicht so schnell! , aber Lios Frage war so interessant, dass ich kein Theater machte. »Ich weiß es nicht«, musste ich zugeben, nachdem ich einen weiteren vergnüglichen Moment lang Schlitzbeeren niedergemäht hatte. »Aber das Messen von Kuchenstücken langweilt mich allmählich. Und ich weiß ehrlich nicht, was ich mir als Nächstes anschauen soll. Also werde ich mich mal darauf konzentrieren.«
Danach konnte ich fast eine Woche lang nicht in den Keller gehen. Der Konzent bereitete sich auf Feierlichkeiten zur Tagundnachtgleiche vor, und deshalb hatte ich Gesangsproben. Der Unkrautkrieg trat gerade in ein Stadium, das ich zumindest in einer Skizze festhalten musste. Dann galt es, mein Strüpp zu bepflanzen. Wenn ich Zeit hatte, schienen immer andere Leute in Shufs Dotat zu sein. Der Ort wurde allmählich beliebt!
»Sei vorsichtig mit deinen Wünschen«, beklagte Arsibalt sich eines Nachmittags bei mir. Ich half ihm, einen Stapel Bienenkörbe in eine Holzwerkstatt zu tragen. »Ich habe sie alle miteinander eingeladen, das Dotat zu nutzen – jetzt tun sie es, und ich kann nicht dort arbeiten!«
»Ich ebenso wenig«, bemerkte ich.
»Und jetzt noch das!« Er nahm einen Spachtel, der meiner ziemlich sicheren Überzeugung nach das falsche Werkzeug für die Aufgabe
war, und begann, geistesabwesend auf einer morschen Stelle in der Ecke des Rahmens herumzuhacken. »Katastrophe!«
»Kennst du dich mit Holzbearbeitung aus?«, fragte ich.
»Nein«, gab er zu.
»Und wie sieht es mit den metatheorischen Werken von Fraa Paphlagon aus?«
»Damit kenne ich mich ein bisschen aus«, sagte er. »Außerdem glaube ich, wollte Orolo, dass wir etwas über sie lernen.«
»Wie das?«
»Erinnerst du dich an unseren letzten Dialog mit ihm?«
»Rosafarbene, Nervengas furzende Drachen. Natürlich.«
»Wir müssen uns einen gediegeneren Namen dafür ausdenken, bevor wir ihn dem Papier anvertrauen«, sagte Arsibalt, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen. »Jedenfalls glaube ich, dass Orolo uns drängte, über manche der Ideen nachzudenken, die seinem Mentor wichtig waren – sind.«
»Komisch, dass er in diesem Zusammenhang Paphlagon nicht erwähnte«, bemerkte ich. »Ich erinnere mich, dass wir über die späteren Werke von Saunt Evenedrik sprachen, aber …«
»Eins führt zum anderen. Zu gegebener Zeit wären wir auch so auf Paphlagon gestoßen.«
»Du vielleicht«, sagte ich. »Worum geht es denn da?« Obwohl das eine vernünftige Frage zu sein schien, zuckte Arsibalt zusammen.
»Das Zeug, für das die Prokier uns hassen.«
»Wie zum Beispiel die Hyläische Theorische Welt?«, fragte ich.
»So würden sie es nennen und uns damit indirekt Naivität unterstellen. Doch die Idee der HTW wurde schon früh, wenigstens zur Zeit des Protas, zu einer komplexen Metatheorik weiterentwickelt. Man könnte also sagen, Paphlagons Werk ist für das klassische protische Denken das, was die moderne Gruppentheorie für das Abzählen an den Fingern ist.«
»Aber dennoch mit ihm verbunden?«
»Sicher.«
»Ich muss gerade noch mal an mein Gespräch mit diesem Inquisitor denken.«
»Varax?«
»Genau. Ich frage mich, ob sein Interesse an dem Thema …«
»Einspruch: Er hat sich dafür interessiert, ob wir uns dafür interessieren «, betonte Arsibalt.
»Stimmt genau – also ob das ein weiterer Beweis für die Existenz des Hypothetischen Einflussreichen Fids von Suur Aculoä ist.«
»Ich glaube, mit Spekulationen über den HEFSA sollten wir vorsichtig sein, bis Suur Tulia tatsächlich Hinweise auf seine oder ihre Existenz gefunden hat«, sagte Arsibalt. »Sonst kommen wir noch auf alle möglichen Spekulationen, die es nie durch den Rechen schaffen würden.«
»Kannst du mir«, fragte ich, »ohne mir alles zu erzählen, was
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