Anathem: Roman
schreiben können. Wegen ihrer ganzen ungeschickten Hilfsangebote kam ich mit ihren Suchfunktionen überhaupt nicht zurecht.
»Wo zum Teufel ist Blys Koppie?«, fragte ich Arsibalt, als er auftauchte. Es war halb zwölf. Ungefähr die Hälfte der Evozierten waren eingetroffen. Allmählich kam eine kleine Flotte von Holen und Mobos zusammen: gestohlen, geliehen oder gespendet, ich hatte keine Ahnung.
»Ich habe das vorausgesehen«, sagte Arsibalt.
»Blys Reliquien sind alle in Saunt Edhar«, erinnerte ich ihn.
» Waren «, korrigierte er mich.
»Hervorragend! Was hast du gestohlen?«
»Eine Wiedergabe des Inselberges, wie er vor dreizehnhundert Jahren aussah.«
»Und ein paar seiner kosmographischen Aufzeichnungen?«, fragte ich hoffnungsfroh.
Schön wär’s gewesen: Arsibalts Gesicht bestand nur aus Neugier. »Warum solltest du Saunt Blys kosmographische Aufzeichnungen haben wollen?«
»Weil er den Längen- und Breitengrad des Ortes notiert haben müsste, von wo aus er seine Beobachtungen machte.«
Dann fiel mir wieder ein, dass wir sowieso keine Möglichkeit hatten, unseren Längen- und Breitengrad zu bestimmen. Aber vielleicht war diese Information in der Benutzeroberfläche der Kartabla enthalten.
»Na, vielleicht ist es ja nur zum Guten«, seufzte Arsibalt.
» Was?! «
»Wir sollen uns direkt nach Tredegarh begeben. Blys Koppie liegt nicht auf unserem Weg.«
»Ich glaube nicht, dass es so weit entfernt ist.«
»Hast du nicht eben gesagt, du wüsstest gar nicht, wo es liegt?«
»Eine grobe Vorstellung habe ich schon.«
»Du kannst nicht einmal sicher davon ausgehen, dass Orolo zu Blys Koppie gegangen ist. Wie wirst du siebzehn Avot dazu überreden, einen verbotenen Umweg zu machen, um einen Mann zu suchen, der vor ein paar Monaten anathemisiert wurde?«
»Ich verstehe dich nicht, Arsibalt. Warum hast du dir die Mühe gemacht, Blys Reliquien zu stehlen, wenn du gar nicht die Absicht hattest, auf die Suche nach Orolo zu gehen?«
»Zu dem Zeitpunkt, als ich sie stahl«, antwortete er, »wusste ich nicht, dass es eine Konvox war.«
Ich brauchte einen Moment, um seiner Logik zu folgen. »Du wusstest nicht, dass wir zurückkommen würden.«
»Genau.«
»Du dachtest, wenn wir erst einmal mit dem fertig wären, was immer sie uns tun lassen wollten …«
»Könnten wir Orolo finden und als Efferaten leben.«
Das war alles interessant. Irgendwie auch ergreifend. Nur trug es nichts zur Lösung des anstehenden Problems bei.
»Arsibalt, hast du irgendein Muster im Leben der Saunts entdeckt?«
»Etliche. Auf welches davon willst du denn hinaus?«
»Viele von ihnen werden verstoßen, bevor irgendjemand darauf kommt, dass sie Saunts sind.«
»Angenommen, du hast recht«, sagte Arsibalt, »dann wird Orolos Kanonisierung noch lange auf sich warten lassen; er ist noch kein Saunt.«
»Entschuldige bitte«, sagte ein Mann, der sich schon seit einer Weile, die Hände in den Taschen, in der Nähe herumgetrieben hatte, »bist du der Anführer?«
Er schaute mich an. Mein Blick ging natürlich sofort in die Runde, um zu sehen, in welche neuerlichen Schwierigkeiten Barb und Jad geraten waren. Barb stand nicht weit entfernt und beobachtete ein paar Vögel, die oben zwischen den Stahlbalken der Dachkonstruktion ihre Nester gebaut hatten. Das tat er nun schon seit einer geschlagenen Stunde. Jad hockte an einem staubigen Platz und zeichnete mit einem kaputten Wasserhahn Diagramme auf den Boden. Kurz nach unserer Ankunft war Fraa Jad in die Maschinenhalle spaziert und hatte herausbekommen, wie man eine Drehbank einschaltete. Cords Exchef wäre fast auf mich losgegangen. Seitdem hatten Jad und Barb sich beide halbwegs ordentlich verhalten. Warum also fragte dieser Extra mich, ob ich der Anführer sei? Er kam mir nicht verärgert oder ängstlich vor. Eher … verloren.
Vermutlich konnte ich, indem ich vorgab, der Anführer zu sein, dafür sorgen, dass ein paar Dinge nach meiner Vorstellung liefen – zumindest eine Zeitlang, bis sie herausgefunden hätten, dass ich nur so tat als ob.
»Ja«, sagte ich, »ich heiße Fraa Erasmas.«
»Oh, gut, dich kennen zu lernen. Ferman Beller«, sagte er und streckte etwas unsicher die Hand aus – er war sich nicht sicher, ob wir uns auf diese Art begrüßten. Ich schüttelte ihm kräftig die Hand, worauf er sich entspannte. Er war ein gedrungener Mann im fünften Lebensjahrzehnt. »Nette Kartabla, die du da hast.«
Es kam mir unglaublich merkwürdig vor, dass er so etwas
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