Anathem: Roman
gegessen.«
Das machte mich traurig, aber gegen die Logik kam ich nicht an, und so folgte ich Barb, und Jad folgte mir. Das Kasino war ein Labyrinth von Korridoren, die alle gleich aussahen. Hier sparten sie Geld, indem sie die Lichter dämpften und die Teppiche nicht reinigten; wegen des Schimmels mussten wir niesen. Schließlich landeten wir in einem fensterlosen Raum im Keller. Nach Seife riechende füllige Männer saßen allein oder zu zweit an Tischen. Es gab nichts zu lesen. Auf einem Spulobildschirm, der an die Wand montiert war, liefen Nachrichten, die Wettervorhersage und Sportmeldungen. Es war das erste Mal überhaupt, dass Fraa Jad die Technologie der bewegten Bilder sah, und er brauchte eine ganze Weile, um sich daran zu gewöhnen. Barb und ich ließen ihn zuschauen, während wir am Buffet Essen holten. Dann stellten wir unsere Tabletts auf einem Tisch ab und gingen zu Fraa Jad zurück, der sich die Höhepunkte eines Ballspiels anschaute. Ein Mann am Nebentisch versuchte gerade, ihn in ein Gespräch über eine der Mannschaften zu ziehen. Auf Fraa Jads T-Shirt prangte zufällig genau deren Logo, was den Mann zu einer ganzen Reihe voreiliger Schlüsse veranlasst hatte. Ich schob mich zwischen Fraa Jads Gesicht und den Spulo und schaffte es, Jads Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dann führte ich ihn zum Buffet. Tausender aßen kein Fleisch, weil sie auf ihrer Klippe nicht genug Platz hatten, um Vieh zu züchten. Er schien begierig, verlorene Zeit nachzuholen. Ich versuchte, ihn zu den Getreideprodukten zu lotsen, aber er wusste, was er wollte.
Während wir aßen, kam in dem Spulo ein Nachrichtenbeitrag, der einen mathischen Steinturm zeigte, der bei Nacht von ferne zu sehen war und von oben durch einen körnigen roten Schein beleuchtet wurde. Die Szene erinnerte stark an den Tausendermath in der Nacht zuvor. Das Gebäude in dem Spulobeitrag hatte ich jedoch noch nie gesehen.
»Das ist die Turmspitze der Millenarier im Konzent Saunt Rambalf«, verkündete Fraa Jad. »Ich habe Zeichnungen davon gesehen.«
Saunt Rambalf lag auf einem anderen Kontinent. Wir wussten
wenig über ihn, da wir keine gemeinsamen Orden hatten. Der Name war mir vor kurzem schon einmal untergekommen, aber ich konnte mich nicht mehr genau erinnern, wo …
»Einer der drei Unversehrten«, sagte Barb.
»Nennt ihr uns so?«, fragte Jad.
Barb hatte recht. Das Fliegender-Keil-Monument an der Innenseite unseres Jahrestors trug eine Gedenktafel, die die Geschichte der Dritten Verheerung wiedergab und die drei Tausendermathe erwähnte, die von allen in der Welt als einzige unversehrt geblieben waren: Saunt Edhar, Saunt Rambalf und …
»Saunt Tredegarh ist der dritte«, fuhr Barb fort.
Als reagierte der Spulo auf seine Stimme, sahen wir jetzt das Bild eines Maths, der wirkte, als sei er in einen Fels hineingemeißelt. Auch er wurde von oben durch ein rotes Licht beleuchtet.
»Das ist eigenartig«, sagte ich. »Warum sollten die Außerarbrischen Licht auf die Drei Unversehrten werfen? Das ist alte Geschichte.«
»Sie wollen uns etwas mitteilen«, bemerkte Fraa Jad. »Was wollen sie uns mitteilen? Dass sie sich wahrhaftig für die Geschichte der Dritten Verheerung interessieren?«
»Nein«, sagte Fraa Jad, »sie wollen uns vermutlich ihre Erkenntnis mitteilen, dass Edhar, Rambalf und Tredegarh die Orte sind, an denen die Säkulare Macht den ganzen nuklearen Abfall gelagert hat.«
Ich war froh, dass wir Orth sprachen.
In einer Tankstelle an der Hauptverkehrsstraße außerhalb der Stadt kaufte ich eine Kartabla. Es gab sie in verschiedenen Größen und Stilen. Ich nahm eine, die etwa die Größe eines Buches hatte. Ihre Ecken und Kanten waren mit dicken knubbeligen Wülsten verziert, den Reifen von Geländefahrzeugen nicht unähnlich. Diese Kartabla war nämlich für Leute gedacht, die so etwas mochten. Sie enthielt topographische Karten. Normale Kartablas waren anders dekoriert und zeigten nur Straßen und Einkaufszentren.
Als wir wieder im Freien waren, schaltete ich sie an. Nach ein paar Sekunden blendete sie kurz eine Fehlermeldung ein und wechselte dann zu einer Karte des ganzen Kontinents. Sie zeigte jedoch nicht unsere Position an, wie sie das eigentlich hätte tun müssen.
»He«, sagte ich, wieder in der Tankstelle, zu dem Tankwart, »dieses Ding ist kaputt.«
»Nein, ist es nicht.«
»Doch, ist es. Es kann unsere Position nicht bestimmen.«
»Oh, das kann heute kein einziges. Glaub mir. Deine Kartabla funktioniert prima.
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