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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ort, wo Orolo Asyl gesucht hatte?
Warum hatte Orolo wohl sonst die lange und gefährliche Reise nach Orithena unternommen?
    Zurück zur vorliegenden Angelegenheit: Ich wagte nicht, mich hier, vor diesem Publikum, zu diesem Thema auf einen ernsthaften Dialog mit Lodoghir einzulassen. Er würde mich so gründlich ebnen, dass man hinterher mit einem Sandstrahler meine Überreste vom Boden entfernen müsste. Und Orolo würde er gleich mit erledigen.
    Mein Dialog mit Fraa Lodoghir wurde von Säkularen mitverfolgt. Von wichtigen Säkularen. Zampanos, wie Orolo sie genannt hätte. Vielleicht verfingen Lodoghirs schmierige Tricks bei ihnen ja tatsächlich.
    Was behaupteten die Leute gleich noch mal von den Rhetoren? Dass sie die Macht hatten, die Vergangenheit zu ändern, und dass sie es bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch taten.
    Ich hatte nicht die Macht, mich mit einem Rhetor zu messen. Ich konnte nur die Wahrheit sagen und hoffen, dass sie von Freunden gehört wurde, die eine solche Macht ausüben konnten.
    »Das ist eine ganz neue Vermutung«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie man so etwas im Orden von Saunt Prok macht, aber als Edharier würde ich nach Beweisen suchen.«
    »Wie wäre es mit der berühmten Waage?«, fragte Lodoghir.
    »Die Waage begünstigt die einfachere Hypothese. Dass Orolo einem außerarbrischen Raumschiff keine geheimen Botschaften geschickt hat, ist einfacher als das, was du unterstellst.«
    »O nein, Fraa Erasmas«, sagte Lodoghir mit nachsichtigem Schmunzeln, »das lasse ich dir nicht durchgehen. Bitte behalte im Auge, dass uns intelligente Menschen zuhören! Falls die Hypothese, dass Orolo Botschaften geschickt hat, erklärt, was andernfalls rätselhaft bleibt, dann ist es die einfachere Hypothese.«
    »Welche Rätsel erklärt sie denn deiner Meinung nach?«
    »Drei, um genau zu sein. Rätsel Nummer eins: dass die Sonde in den Ruinen von Orithena gelandet ist, einer ansonsten trostlosen und uninteressanten Stätte, deren auffälligstes Merkmal ein vom Weltraum aus deutlich sichtbares Analemma ist.«
    »Mit einer entsprechend guten Optik ist vom Weltraum aus alles Mögliche deutlich zu sehen«, wandte ich ein. »Denk daran, dass die Geometer ihr Schiff mit einem Beweis des adrakhonischen Theorems verziert haben. Was liegt also für sie näher, als auf dem Tempel des Adrakhones zu landen?«

    »Sie müssen wissen, dass wir hier sind«, gab Lodoghir zurück. »Wenn sie mit Theoren reden wollten, warum sind sie dann nicht einfach in Tredegarh gelandet?«
    »Warum schießen sie mit Schrotflinten aufeinander? Du kannst mir nicht die Verantwortung auferlegen, alles zu erklären, was die Geometer tun«, sagte ich.
    »Rätsel Nummer zwei: Orolos Selbstmord.«
    »Das ist kein Rätsel. Er hat eine Entscheidung getroffen, um einen unschätzbaren Untersuchungsgegenstand zu erhalten.«
    »Er hat sein eigenes Leben gegen diesen Untersuchungsgegenstand abgewogen«, sagte Lodoghir und machte mit beiden Händen eine Geste, die das Spiel einer Waage nachahmte. »Rätsel Nummer drei: Er hat in den letzten Momenten seines Lebens ein Analemma auf den Boden gezeichnet und sich daraufgestellt, um das von ihm selbst gewählte Schicksal zu erleiden.«
    Dazu hatte ich nichts zu sagen. Es war mir ebenfalls ein Rätsel.
    »Orolo hat seine Verantwortung akzeptiert«, sagte Lodoghir.
    »Da komme ich nicht mit.«
    »Irgendwie hat Orolo den Geometern in den Monaten, in denen er zu den einzigen Menschen auf Arbre gehörte, die wussten, dass sie da oben waren, eine Botschaft zukommen lassen. Ich spekuliere, dass die Botschaft die Form eines Analemmas annahm. Ein Zeichen, das den Geometern sagte, sie sollten auf dem Analemma landen, das in Orithena so deutlich sichtbar ist – oder vielmehr war. Sobald man ihn verstoßen hatte, ist er dorthin gegangen und hat gewartet. Und siehe da, die Geometer sind tatsächlich dort gelandet. Aber nicht so, wie Orolo es – vielleicht naiverweise – erwartet hatte. Eine Gruppe unter den Geometern schickte unbefugterweise eine Sonde. Die außerarbrische Frau opferte ihr Leben. Die herrschende Gruppe schlug zurück, indem sie – mit tödlichen Folgen in Orithena – Ekba stangte. Orolo verstand, dass er für das, was geschehen war, die Verantwortung trug. Dass er die Tote in das Luftfahrzeug warf, war die Buße, die er sich selbst auferlegte, und indem er das Analemma auf den Boden zeichnete, übernahm er die Verantwortung für das, was er getan hatte.«
    Während Lodoghir seine

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