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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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    Während ich den Küchenboden wischte, kam mir die Idee, sie stattdessen zu Jesrys Lukub zu führen. Mit etwas Glück könnte ich dort einige oder alle loswerden.
    Während wir Jesry zu finden versuchten, wurden wir darüber informiert – Emman per Nicknack-Nachricht, wir anderen durch kodiertes Läuten eines Glockenspiels auf dem Fels -, dass der Lukub abgesagt war. Tatsächlich hatte man mit Ausnahme von Laboratorium und Messale bis auf weiteres alles eingestellt, und Messale fand nur noch statt, weil wir essen mussten, um arbeiten zu können. In der übrigen Zeit sollten wir das Schiff der Geometer analysieren. Die Säkularen verfügten über syntaktische Systeme zum Bau und zur Darstellung dreidimensionaler Modelle von komplizierten Objekten, und so bestand das Ziel nun darin, ein solches Modell zu schaffen, das bis hin zur letzten Strebe, Luke und Schweißnaht dem Raumschiff entsprach, das unseren Planeten umkreiste – oder wenigstens dessen äußerer Hülle, denn die war alles, was wir davon sehen konnten. Emman beherrschte dieses Modellherstellungssystem und wurde daher abberufen, um mit einem Haufen Ita in einem
Laboratorium zu schuften. Soweit ich es verstand, war er eigentlich nicht mit der Modellherstellung beschäftigt, sondern sollte lediglich das System zum Laufen bringen. Diejenigen von uns, die eine theorische Ausbildung genossen hatten, waren neuen Laboratorien zugewiesen worden, deren Zweck darin bestand, über den Phototypien von vergangener Nacht zu brüten und sie in das Modell zu integrieren.
    Einige solcher Aufgaben waren anspruchsvoller als andere. Das Antriebssystem, bei dem Plasmatriebwerke mit der Schubplatte interagierten, war sogar für Jesry schwer zu verstehen. Er war der Gruppe zugeteilt worden, die die Geheimnisse der Röntgenlaserbatterien durchdringen sollte. Ich gehörte einem Team an, das die Makrodynamik des Schiffes als Ganzes analysierte. Wir gingen davon aus, dass ein innerhalb des Ikosaeders liegender Teil davon rotierte, um eine Pseudoschwerkraft zu erzeugen. Es handelte sich also um ein riesiges Gyroskop. Wenn es manövrierte – wozu es gestern Nacht gezwungen worden war -, mussten zwischen den gedrehten und den nicht gedrehten Teilen gyroskopische Kräfte wirksam werden, die durch irgendwie geartete Lager ausgeglichen werden mussten. Wie groß waren diese Kräfte? Und wie manövrierte das Ding überhaupt? Es waren keine Düsentriebwerke – keine Feinsteuerraketen – gezündet worden. Man hatte keine Treibladungen zur Detonation gebracht. Und dennoch hatte sich das Ikosaeder mit bemerkenswerter Gewandtheit gedreht. Die einzige vernünftige Erklärung war, dass er ein System von Schwungrädern – schnell drehenden Gyroskopen – enthielt, die sich dazu verwenden ließen, den Drehimpuls zu speichern und freizusetzen. Man musste sich ein entlang der Innenfläche des Ikosaeders verlaufendes Eisenbahngleis vorstellen, das einen vollständigen Kreis beschrieb und auf dem in niemals unterbrochener Schleife ein Güterzug fuhr. Wenn der Zug seine Bremsen betätigte, würde er einen Teil seines Drehimpulses an das Ikosaeder abgeben und diesen zur Drehung zwingen. Durch Lösen der Bremsen und Gasgeben könnte er den Effekt umkehren. Seit vergangener Nacht war klar, dass das Ikosaeder ein halbes Dutzend solcher Systeme enthielt – zwei gegenläufige auf jeder der drei Achsen. Wie groß mochten sie sein, wie viel Kraft konnten sie mit dem Schiff austauschen? Was könnte das darüber aussagen, woraus sie bestanden? Welche Schlüsse könnten wir darüber hinaus hinsichtlich Größe, Masse und Drehgeschwindigkeit des im Inneren
verborgenen, bewohnten Teils ziehen, wenn wir genaue Messungen anstellten, wie das Ikosaeder manövriert hatte?
    Arsibalt wurde einer Gruppe zugewiesen, die mittels Spektroskopie und anderer Gegebenheiten feststellen sollte, welche Teile des Schiffes in welchem Kosmos oder ob sie alle in ein und demselben Kosmos hergestellt worden waren. Barb wurde beauftragt, den Sinn eines Dreiecknetzwerks von Streben zu ergründen, das, wie man beobachtet hatte, aus dem nicht gedrehten Teil des Schiffes hervorragte. Und so weiter. Daher vergingen nun sechs Stunden, in denen ich mich vollständig in das Problem vertiefte, das man mir und einer Gruppe von fünf anderen Theoren zugewiesen hatte. Ich hatte keinen Augenblick Zeit, über irgendetwas anderes nachzudenken, bis jemand darauf hinwies, dass die Sonne aufging, und man uns mitteilte, dass es auf dem großen

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