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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Zeitalter«, sagte ich.
    »Genau!« Sie hatte sich in Begeisterung geredet. Auch ich spürte eine gewisse Erregung. Aber ich rief mich zur Ordnung, indem ich mich darauf besann, dass dieser Fall nur eintreten würde, wenn es zum umfassenden Krieg käme. Sie spürte das ebenfalls und fror ihr Gesicht zu einer Miene ein, wie sie sie meiner Vorstellung nach aufsetzte, wenn sie sich mit hohen militärischen Führern beriet. »Angefangen hat es«, sagte sie mit viel leiserer Stimme – und mit es meinte sie, wie ich wusste, die Sache, von der mir Lio erzählt hatte – »angefangen hat es bei Treffen mit Zellenleitern. Verstehst du, die Zellen – die Gruppen, in die wir uns aufteilen werden, wenn wir den Antischwarm auslösen – haben jeweils einen Leiter. Mit diesen Leitern habe ich mich getroffen, ihnen ihre Evakuierungspläne gegeben, sie mit den Leuten vertraut gemacht, die zu ihrer Zelle gehören.«
    »Das ist also …«
    »Vorherbestimmt. Ja. Jeder in der Konvox ist bereits einer Zelle zugeteilt worden.«
    »Aber ich bin nicht …«
    »Du bist nicht informiert worden«, sagte Ala. »Das gilt für alle – außer den Zellenleitern.«
    »Ihr wolltet die Leute nicht beunruhigen – sie nicht ablenken – es war nicht sinnvoll, sie zu unterrichten«, vermutete ich.
    »Aber das wird sich ändern«, sagte sie und blickte sich um, als rechnete sie damit, dass es sich auf der Stelle änderte. Und tatsächlich fiel mir auf, dass noch weitere militärische Tromms auf das
Gelände gefahren waren und an einem Ende dieses Freiluft-Refektoriums geparkt hatten. Soldaten waren damit beschäftigt, ein Lautsprechersystem aufzubauen. »Deswegen essen wir auch alle zusammen.« Sie schnaubte. »Deswegen esse ich überhaupt etwas. Das erste Essen seit drei Tagen, das den Namen verdient. Jetzt komme ich dazu, mich ein bisschen zu entspannen – den Dingen ihren Lauf zu lassen.«
    »Was passiert denn jetzt?«
    »Jeder bekommt einen Rucksack und Instruktionen.«
    »Es kann kein Zufall sein, dass wir das im Freien und unter klarem Himmel tun«, bemerkte ich.
    »Jetzt denkst du wie Lio«, sagte sie beifällig, während sie einen Bissen Brot kaute. Sie schluckte und fuhr fort: »Das ist eine Abschreckungsstrategie. Der PAQD wird sehen, was wir hier machen, und, so hofft man, vermuten, dass wir Vorbereitungen treffen, uns zu zerstreuen. Und wenn sie wissen, dass wir in der Lage sind, uns binnen kürzester Zeit zu zerstreuen, verringert sich für sie der Anreiz, Tredegarh anzugreifen.«
    »Klingt plausibel«, sagte ich. »Dazu habe ich vermutlich gleich noch viele weitere Fragen. Aber du hast etwas von den Treffen mit den Zellenleitern gesagt …?«
    »Ja. Du weißt doch, wie es mit uns Avot ist. Nichts wird für bare Münze genommen. Alles wird seziert. Einem Dialog unterworfen. Ich habe mich in kleinen Gruppen mit diesen Leuten getroffen – mit jeweils einem halben Dutzend Zellenleitern. Habe ihnen ihre Befugnisse und ihre Aufgaben erklärt, unterschiedliche Szenarien mit ihnen durchgespielt. Und es schien, als hätte jede Gruppe einen oder zwei, die es weitertreiben wollten als die anderen. Es in eine größere historische Perspektive stellen, Vergleiche mit der Wiedergeburt ziehen wollten und so weiter. Die Sache, von der dir Lio erzählt hat, war eine Folge davon. Einige dieser Leute – ich konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit schlicht und einfach nicht alle ihre Fragen beantworten. Also habe ich ihre Namen auf eine Liste gesetzt und ihnen gesagt: ›Wir werden später ein Folgetreffen abhalten, auf dem wir eure Anliegen besprechen, aber das wird ein Lukub sein müssen, weil ich ansonsten keine Zeit habe.‹ Und zufälligerweise – das kannst du für Glück oder für Pech halten, ganz wie du willst – fiel der Zeitpunkt mit der Heimsuchung von Orithena zusammen.«
    Nun wurden wir abgelenkt, da das Lautsprechersystem zum Leben
erwachte. Eine Hierarchin forderte »die folgenden Personen« auf, nach vorne zu kommen – und sich zu den Tromms zu begeben, wo Soldaten Palettenladungen prall vorgepackter, militärischer Rucksäcke aufrissen. Die Hierarchin hatte offenbar noch nie in ein Tonverstärkungsgerät gesprochen, aber sie hatte den Bogen bald heraus und begann die Namen von Fraas und Suurs aufzurufen. Langsam und zunächst unsicher standen die Aufgerufenen von ihren Plätzen auf und bewegten sich die Gassen zwischen den Tischen entlang. Gespräche kamen kurze Zeit ins Stocken und wurden dann in ganz anderem Ton weitergeführt,

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