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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Gespräche, die wir beim Messale zur Pluralität der Welten über den Docht und die Idee geführt hatten, dass Arbre die HTW anderer Welten wie etwa Urnud sein könnte. Dann mussten die Neuankömmlinge über den ersten Teil des Gesprächs an diesem Morgen ins Bild gesetzt werden, weshalb sich die Unterhaltung verzweigte und einige Minuten lang in ein allgemeines Stimmengewirr ausartete.
    »Nach diesem Szenario könnten also tatsächlich Informationen von Arbre nach Urnud fließen«, schloss Jesry, und das so laut, dass er alle anderen zum Schweigen brachte und wieder allein das Wort hatte. »Aber warum sollte die Dritte Verheerung ein solches Verhalten vonseiten eines urnudischen Raumschiffkapitäns auslösen?«
    »Fraa Jesry, denk an den Fehlerbereich, den Sammann eingegrenzt hat«, sagte Arsibalt. »Der Auslöser könnte alles gewesen sein, was in den vier Jahrzehnten ab etwa 2760 in diesem Kosmos geschehen ist. Und dazu gehören auch, wie ich dich erinnern darf …«
    »Ereignisse, die der Dritten Verheerung vorausgingen«, platzte ich heraus.
    Schweigen. Unbehagen. Abgewandte Blicke. Mit Ausnahme von Jules Verne Durand, der mich geradewegs anstarrte und nickte. Ich entsann mich der Bereitwilligkeit, mit der er beim Messale unerträgliche Themen angeschnitten hatte, und beschloss, Kraft daraus zu schöpfen. »Ich habe keine Lust mehr, auf Zehenspitzen
um dieses Thema herumzuschleichen«, sagte ich. »Es passt alles zusammen. Fraa Clathrand von Edhar war nur die Spitze eines Eisbergs. Damals haben andere – wer weiß, wie viele Tausende? – an irgendeiner Praxik gearbeitet. Prokier und Halikaarnier gleichermaßen. Wozu diese Praxik imstande war, ist schwer zu ermitteln. Der Parkrampen-Dinosaurier liefert einen Hinweis darauf, was sie anrichten konnte, wenn sie Fehler machten. Wir wissen, was die Säkularen davon hielten, wie sie reagierten. Die Aufzeichnungen wurden vernichtet, die Praxiker massakriert – außer in den drei Unversehrten. Kein Mensch weiß, was Leute wie Fraa Jad seither so getrieben haben. Ich wette, sie haben es auf niedriger Stufe weiterlaufen lassen …«
    »Die Zündflamme brennen lassen«, rief Lio.
    »Ja«, sagte ich. »Aber irgendetwas an dem, was sie getan haben, hat so etwa 2760, als die Praxik ihren Höhepunkt erreichte, ein Signal ausgesandt, das sich durch den Docht fortgepflanzt hat und irgendwie von den Theoren von Urnud bemerkt wurde.«
    »Es hat sie hierhergelockt, behauptest du«, sagte Lio, »wie eine Glocke, die zum Essen läutet.«
    »Wie der Duft dieses Brotes«, sagte ich.
    »Vielleicht ist es nicht nur der Brotduft, der andere in dieses Zimmer gelockt hat, Fraa Erasmas«, brachte Arsibalt vor. »Vielleicht ist es auch das Geräusch des Gesprächs. Undeutlich gehörte Worte, die von weitem nicht zu verstehen sind, aber immerhin das Interesse jedes empfindungsfähigen Menschen in Hörweite der Stimmen wecken.«
    »Du behauptest, so könnte es für die urnudischen Theoren auf diesem Schiff gewesen sein«, sagte ich, »wenn sie – ich weiß nicht was – empfingen: Emanationen, Hinweise, Signale, die von Arbre aus durch den Docht perkolierten.«
    »Genau«, sagte Arsibalt.
    Wir wandten uns alle Jules zu. Er hatte ein wenig laterranisches Essen aus einem Beutel genommen und aß nun – da er seinen Appetit mit etwas für ihn Unverdaulichem gestillt hatte – ein paar Bissen von etwas, das sein Körper verwerten konnte. Er bemerkte die Aufmerksamkeit, zuckte die Achseln und schluckte. »Wartet nicht mit angehaltenem Atem auf eine Erklärung vonseiten des Sockels. Diejenigen von vor neunhundert Jahren waren ganz bestimmt rationale Theoren. Aber in den langen, dunklen Jahren ihres Herumirrens
haben sie sich zu etwas verändert, das sich eher als Priesterschaft erkennen lässt. Und je näher diese Priester ihrem Gott kommen, desto mehr fürchten sie sich davor.«
    »Ich frage mich, ob wir sie nicht ein klein wenig beruhigen könnten, indem wir ihnen klarmachen, dass sie ihm eigentlich noch gar nicht so nahe sind«, sagte Jesry.
    »Wie meinst du das?«, fragte Yul.
    »Fraa Jad ist ein interessanter Bursche, keine Frage«, sagte Jesry, »aber wie ein Gott oder auch nur wie ein Prophet kommt er mir nicht vor. Ganz gleich, was er tut, wenn er singt oder die ganze Nacht Teglon spielt, gottähnlich ist das, glaube ich, nicht. Ich glaube, er fängt einfach Signale auf, die von weiter oben im Docht nach Arbre gelangen.«
    Mittlerweile waren alle erschienen und hatten gegessen, ausgenommen

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