Anathem: Roman
wie etwa die Thaler, ein, die Jesrys Humor nicht verstanden. Er räusperte sich und rief Lio zu: »Wie geht es denn jetzt weiter, mein Fraa?«
Lio sprang auf eine mit einer Plane bedeckte Palette, und alles verstummte.
»Noch dürfen wir nicht erfahren, worin die Mission besteht«, begann er, »und warum wir sie ausführen. Wir müssen einfach nur hinkommen.«
»Wohin kommen?«, wollte Yul wissen.
»Na, zu dieser Daban Urnud«, sagte Lio.
Nicht, dass wir bislang nicht zugehört hätten, aber jetzt hörten wir sehr aufmerksam zu. Alle wirkten fröhlicher. Zumal Jules. »Endlich wieder genug zu essen.«
»Wie sollen wir an Bord eines schwer bewaffneten …«, setzte Arsibalt an.
»Das hat man uns noch nicht verraten«, sagte Lio. »Was uns nur recht sein kann, weil schon allein das Abheben schwierig genug ist. Die normalen Startbasen können wir nicht benutzen. Ich würde vermuten, dass der Sockel gedroht hat, sie zu stangen, wenn man Startvorbereitungen bemerkt. Das heißt, wir können auch die üblichen Raketen nicht benutzen, weil sie so konstruiert sind, dass sie nur von diesen Basen aus gestartet werden können. Und das wiederum heißt, wir können auch die üblichen Raumfahrzeuge – wie zum Beispiel das, in dem du geflogen bist, Jesry – nicht benutzen, weil sie nur von besagten Raketen in den Raum befördert werden können. Aber es gibt eine Alternative. Während des letzten großen Krieges wurde eine Familie von ballistischen Raketen entwickelt. Sie werden von lagerfähigem Treibstoff angetrieben und von Fahrzeugen
aus abgeschossen, die auf Raupen durch die Landschaft gondeln.«
»Das kann nicht funktionieren«, protestierte Jesry. »Eine ballistische Rakete befördert ihre Nutzlast nicht in den Orbit. Sie wirft nur einen Gefechtskopf auf die andere Seite der Welt.«
»Aber angenommen, du montierst ihn ab und ersetzt ihn durch so etwas«, sagte Lio. Er sprang von der Palette, packte einen Zipfel der Plane, sammelte sich und riss sie mit einer schwungvollen Armund Hüftbewegung herunter. Zum Vorschein kam ein Gegenstand, der nicht sehr viel voluminöser als ein größeres Haushaltsgerät war. »Eine Gartenlaube auf einer Schweißvorrichtung« hätte Yul es vielleicht genannt, wenn er denn da gewesen wäre. Die »Gartenlaube« war ausgesprochen klein – allerdings, wie Lio demonstrierte, groß genug, um einen Menschen in Fetushaltung aufzunehmen. Ihr Dach war eine Linse aus Pressblech mit einer Art fester Beschichtung. Es ruhte auf vier Beinen: spindeldürr aussehenden, aus Dreiecken zusammengesetzten Streben wie Miniatursendetürme.
Die Gartenlaube hatte also ein Dach und Pfeiler, aber ihr fehlte ein Boden. An seiner Stelle hatte sie lediglich drei Tragarme, die von einem ringförmigen Bauteil nach innen vorsprangen. Im Augenblick lag auf ihnen eine Sperrholzplatte auf, die Lios Rücken stützte, als er sich darauf zusammenrollte. Sobald er sich jedoch wieder herausgewunden hatte, nahm er die Sperrholzplatte weg, und darunter kamen nichts als Bauelemente und Armaturen zum Vorschein. Es gab zwei große Tanks – ein Ringwulst, der eine Kugel einfasste – und mehrere kleine, alle kugelförmig und keiner größer als das, was man auf den Regalen eines Sport- und Campinggeschäfts sehen würde. Sie waren engmaschig von Röhren und Kabelgeschirren umwirrt. Am Boden ragte wie der Stachel eines Insekts eine beunruhigend kleine Raketendüse hervor. »An der echten wird ein ganzer Düsenring angeschraubt sein«, unterrichtete uns Lio, »der so groß ist wie diese ganze Stufe.«
»Stufe!?«, rief Sammann aus. »Du meinst, wie in …«
»Ja!«, sagte Lio. »Genau das versuche ich euch zu erklären. Tut mir leid, dass ich mich nicht klarer ausgedrückt habe. Das ist die oberste Stufe einer Rakete. Für jeden von uns gibt es eine.« Dann packte er, damit wir die Düse besser sehen konnten, mit einer Hand eine Strebe und zog sie nach oben. Die gesamte Stufe kippte, sodass die Unterseite zum Vorschein kam.
»Du machst wohl Witze!«, rief ich aus, legte meine Hand neben seine und drängte ihn zur Seite. Er ließ die Strebe los. Die gesamte Stufe wog erheblich weniger als ich. Dann mussten es auch alle anderen ausprobieren.
»Wo ist der Rest davon?«, fragte Jesry.
Betretenes Schweigen.
»Es gibt keinen Rest – das ist alles«, verkündete Jules Verne Durand, der es vollkommen verstand, obwohl er es zum ersten Mal sah. »Die Konzeption ist mannjifiek!«
»Da du ein Experte für Mannjifieks zu sein
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