Anathem: Roman
Bedeutung. »Ich hab’s kapiert«, sagte Arsibalt, »es repräsentiert den Kosmos. Die Kluft zwischen uns.« Wieder ertönte Musik. Der Prahm war mit vier Frauen in langen Gewändern bemannt, die ihn herüberzurudern begannen. Die Musik mutete den Ohren viel weniger zu als der Trauermarsch: verschiedene Instrumente mit weicheren Tönen und ein Solo einer Laterranerin, die am Ufer stand und die ganze Kugel mit ihrer machtvollen Stimme zum Schwingen zu bringen schien. Ich fand, es war ein gutes Stück für einen Heimgang.
Als die Ruderinnen die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, meldete sich Jesry zu Wort: »Einen Geschwindigkeitsrekord stellen sie nicht gerade auf, was?«
»Ja«, sagte Lio, »dasselbe habe ich auch gerade gedacht. Gebt uns ein Boot! Wir könnten sie übernehmen!«
So komisch war das zwar nicht, aber unser Körper hielt es dafür, und wir hatten in den nächsten Minuten alle Mühe, nicht herauszuplatzen und so einen diplomatischen Zwischenfall heraufzubeschwören. Als das Boot schließlich ankam, trugen wir die Särge davon herunter und brachten dann den von Lise an Bord. Von weiterer Musik begleitet, beförderten die langsamen Ruderinnen sie in einem langgezogenen Bogen ans laterranische Ufer, wo sie von einem halben Dutzend ziviler Sargträger – vermutlich Freunde von Jules und Lise – von Bord geholt wurde, während Jules, von einigen Freunden gestützt, dabei zusah. Dann trugen wir die Särge der Thaler nacheinander in den Bereitstellungsbereich hinter dem aufblasbaren Pavillon. Unterdessen wurde Lise in den laterranischen Pavillon gebracht, damit Jules ungestört einen Moment mit ihr verbringen konnte. Die Ruderinnen ruderten zum urnudischen Ufer zurück. Fraa Lodoghir und Gan Odru sagten von gegenüberliegenden Seiten des Beckens aus jeweils ein paar Worte und gemahnten uns damit an die anderen, die in dem kleinen Krieg, den zu beenden wir uns hier versammelt hätten, gestorben seien: auf Arbre diejenigen, die bei den Stangenangriffen ums Leben gekommen, und hier oben diejenigen, die den Thalern zum Opfer gefallen waren.
Nach kurzem Schweigen kam es zu einer Unterbrechung, in der Tabletts mit Speisen und Getränken herumgereicht wurden. Das Bedürfnis, nach einer Bestattung zu essen, war offensichtlich ebenso universal wie das adrakhonische Theorem. Die Ruderinnen machten sich daran, auf ihrem Prahm einen mit blauem Tuch verhängten Tisch aufzustellen, auf dem sie Stapel von Dokumenten anordneten.
»Raz.«
Ich hatte darauf gewartet, bei einem Essenstablett zum Zug zu kommen, drehte mich nun aber um und sah ein paar Schritte von mir entfernt Emman, der gerade dabei war, mir etwas zuzuwerfen. Einem Reflex folgend, pflückte ich es aus der Luft. Es war eines der Gesprächsstörgeräte.
»Habe ich einem Prokier geklaut«, erklärte er.
»Wird es der Prokier denn nicht brauchen?«, fragte ich, mein Gesicht – wie ich hoffte – der Inbegriff falscher Anteilnahme.
»Nein. Redundant.«
Der Gesprächsstörer verwandelte sich in Gesprächsstoff, während meine Freunde sich um ihn scharten, damit spielten und über die komischen Laute schmunzelten, die er von sich gab. Yul brachte ihn dazu, Zufallsverwünschungen zu generieren, indem er in ihn hineinfluchte. Doch nach ein paar Minuten hatten wir Jules Verne Durands heisere, aber gefasste Stimme im Ohr, die uns sagte, dass gleich die nächste Phase des Aut beginnen würde. Wieder kamen wir am Ufer zusammen und hörten Reden der vier Führer, die in wenigen Minuten zur Feder greifen würden: zuerst Gan Odru. Dann Prag Eshwar: eine stämmige Frau in Militäruniform, großtantenhafter, als ich sie mir vorgestellt hatte. Dann der arbrische Außenminister und schließlich einer der Tausender, die ich in Begleitung von Fraa Lodoghir gesehen hatte. Jeder Redner begab sich, sobald er fertig war, an Bord des Prahms. Als unser Tausender sich den ersten drei zugesellt hatte, ruderten die vier Frauen sie in die Mitte der Wasserfläche. Sie griffen zur Feder und begannen zu unterzeichnen. Alles sah einige Momente lang schweigend zu. Doch das Unterzeichnen zog sich in die Länge, und bald begannen die Leute, sich murmelnd zu unterhalten. Überall ergaben sich Gespräche, und man begann umherzulaufen.
Es mag sich sonderbar anhören, aber ich schlenderte hinter den aufblasbaren Pavillon und zählte die Särge. Eins, zwei, drei, vier.
»Machst du Inventur?«
Ich drehte mich um und stellte fest, dass Fraa Lodoghir mir gefolgt war.
Ich schaltete
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