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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hügelaufwärts zu stapfen. Unsere ersten, vom Kraterrand hinabführenden Pfade waren von der Erosion bereits in Rinnen verwandelt worden, weshalb Neuankömmlinge Terrassen und Wege mit richtigen Kehren in den Boden einschnitten. Harte Arbeit – und eine gute Methode, bloße Urlauber von denen zu unterscheiden, die durchhalten und in Orolo ihren Lebensunterhalt verdienen würden.
    »Der erste Entwurf des Ganzen wird aus Holz und Lehm bestehen«, sagte ich ihm, während wir einen gemischten Trupp von Avot und Säkularen passierten, die angespitzte Pfähle in den Boden trieben. »Bis ich sterbe, müssten wir eine grobe Vorstellung davon haben, wie der Ort funktioniert. Spätere Generationen können dann zu planen anfangen, wie man das Ganze noch einmal in Stein anlegt.«
    Quin wirkte einen Moment lang bestürzt. Dann entspannte sich sein Gesicht, als er begriff, dass ich vom Tod durch Altersschwäche
sprach. »Wo bekommt ihr denn den Stein her?«, fragte er. »Ich sehe hier nur Matsch.«
    Ich blieb stehen und wandte mich zum Krater um. Sobald er abgekühlt war, hatte er sich mit Wasser gefüllt, und so konnten wir bei der Höhe, die wir bereits gewonnen hatten, ohne weiteres seine ungefähre Form ausmachen: eine Ellipse, ausgerichtet von Nordosten nach Südwesten – die Richtung, in der die Stange geflogen war. Wir befanden uns oberhalb seines südöstlichen Endes. Sein auffälligstes Merkmal war eine Insel aus Geröll, die sich ein paar hundert Ellen vom Ufer entfernt aus dem braunen Wasser erhob. Aber ich machte Quin auf einen meilenweit entfernten, kaum sichtbaren Einschnitt in der Uferlinie aufmerksam. »Der Fluss, der den Krater gefüllt hat, mündet dort drüben in ihn ein, nahe dem anderen Ende«, sagte ich. »Von hier ist er nicht leicht zu erkennen. Aber wenn man ihn ein paar Meilen flussaufwärts geht, kommt man zu einer Stelle, wo der Einschlag eine Gerölllawine ausgelöst hat, und der hat eine Kalksteinwand bloßgelegt. So groß, dass unsere Nachkommen bauen können, was immer sie wollen.«
    Quin nickte, und wir stiegen weiter bergan. Er blieb eine Zeitlang stumm. Schließlich fragte er: »Werdet ihr denn Nachkommen haben?«
    Ich lachte. »Wir sind bereits dabei, welche zu bekommen! Schon während des Antischwarms sind die ersten Frauen schwanger geworden. Wir haben angefangen, normales Essen zu essen, und die Männer haben aufgehört, steril zu sein. Das erste Avotbaby ist letzte Woche auf die Welt gekommen. Ich habe es aus dem Retikulum erfahren. Du wirst übrigens feststellen, dass unser Zugang ein bisschen uneinheitlich ist. Eine Zeitlang hat Sammann – das ist unser Ex-Ita – es ganz allein am Laufen gehalten. Aber hier tauchen jeden Tag weitere Ex-Ita auf. Inzwischen haben wir mehrere Dutzend.«
    Dieser Teil der Geschichte interessierte Quin nicht. Er unterbrach mich: »Barb könnte eines Tages also Vater werden.«
    »Ja. Könnte er.« Dann – besser spät als nie – begriff ich, was er damit sagen wollte: »Du könntest Großvater werden.«
    Quin beschleunigte seinen Schritt – plötzlich sehr erpicht darauf, dass Saunt Orolo jetzt errichtet wurde. Während ich hinter ihm herschnaufte, fügte ich hinzu: »Das wirft natürlich die alte Fortpflanzungsfrage auf. Aber inzwischen wissen wir so viel, dass wir
eine Aufspaltung der Rasse in zwei Unterarten verhindern können. Das erlegt uns eine gewisse Verantwortung auf, Orte wie diesen so zu gestalten, dass sie für Extras, wie wir sie früher genannt haben, einladend sind.«
    »Wie werdet ihr sie – uns – denn jetzt nennen?«, fragte Quin. »Ich habe keine Ahnung. Entscheidend ist, dass es unter der Zweiten Rekonstitution zwei gleichrangige Magisterien gibt. Namen dafür können sich die Leute später ausdenken.«
    Wir hatten eine Stelle erreicht, wo sich der vordem messerartige Kraterrand unter dem Einfluss von Regen und Wind bereits zu einer runden Schulter abgeschliffen hatte. Er war von ein paar Pionierpflanzen getüpfelt und von bunten, zwischen Pflöcken gespannten Schnüren eingefasst. »Die Grenzen werden da verlaufen, wo wir sie abstecken. Da ist zum Beispiel eine.« Ich zupfte an einer roten Schnur.
    Quin war entsetzt. »Aber wie könnt ihr das machen? Einfach hergehen und Ansprüche erheben? Die Anwälte müssen doch wahnsinnig werden.«
    »Wir haben eine kleine Armee von Prokiern, die ihr Mundwerk für uns spielen lassen. Die Anwälte haben keine Chance.«
    »Also ist alles auf dieser Seite der Schnur euer Eigentum?«
    »Ja. Die

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