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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ich ja nicht wissen, oder?«, bemerkte ich. »Schließlich war ich die vergangenen zwei Wochen anderweitig beschäftigt.«
    Emman schnaubte. »Sag bloß! Übrigens gute Arbeit.«

    »Danke. Eines Tages werde ich dir Geschichten erzählen. Aber vorläufig – wie genau hat der Antischwarm seinen Einfluss geltend gemacht?«
    »Viel sagen mussten sie nicht«, sagte mir Emman. »Es lag ja auf der Hand.«
    »Was lag auf der Hand?«
    Er holte tief Atem, ließ ihn seufzend entweichen. »Hör zu. Vor dreitausendsiebenhundert Jahren hat man die Avot in Mathen zusammengetrieben, weil man sich vor ihrer Fähigkeit fürchtete, mittels Praxik die Welt zu verändern.« Mit dem Kopf wies er hilfreicherweise auf die Stelle, wo ich die Allestöter verstaut hatte. »Wegen raffinierter Kunststückchen wie den Dingern da, nehme ich an. Also hörte die Praxik auf oder verlangsamte sich zumindest auf ein Veränderungstempo, das man verstehen, handhaben, beherrschen konnte. Schön – bis diese Leute hier aufgetaucht sind.« Er hob den Kopf und blickte sich um. »Wie sich herausgestellt hat, haben wir nichts anderes getan, als das Wettrüsten gegen Kosmen zu verlieren, die ihren Avot nicht solche Beschränkungen auferlegt haben. Und was passiert? Als Arbre beschließt, sich ein bisschen zu wehren, wer führt da den Gegenschlag? Unser Militär? Die Säkulare Macht? Nein. Ihr Jungs und Mädels in den Kullen und Korden. Der Antischwarm hat also schlicht dadurch eine Menge Schlagkraft gewonnen, dass er viel getan und sehr wenig gesagt hat. Daher das Konzept der zwei Magisterien, das …«
    »Davon habe ich gehört«, sagte ich.
    Er und ich standen einige Augenblicke da und schauten über das elliptische Becken auf das gegenüberliegende Ufer, wo Prozessionen urnudischer und troänischer Würdenträger aus ihrem jeweiligen Pavillon kamen und sich in Richtung Wasser begaben. Der Plapperkasten um Emmans Hals allerdings konnte die Klappe nicht halten.
    »Das ist also das Narrativ, mit dem jetzt alle arbeiten?«, fragte ich ihn.
    Er sah mich aufmerksam an. »So könnte man das vermutlich sehen.«
    »Tja«, sagte ich, »wenn die Sache danebengeht und irgendein Zampano gibt dir den Befehl, die AT zu aktivieren, dann wäre es doch schade, wenn sich herausstellte, dass ihr beide euch mit dem Narrativ geirrt habt, oder?«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte er scharf.

    »Vor dreitausendsiebenhundert Jahren haben sie uns zusammengetrieben, richtig. Aber sie haben uns nicht die Fähigkeit genommen, mit Neustoff herumzuspielen. Infolgedessen kam es zur Ersten Verheerung. Schön. Kein Neustoff mehr, abgesehen von ein paar Ausnahmen, die von der Neuregelung nicht betroffen waren: Fabriken, in denen das Zeug immer noch hergestellt wird, besetzt mit Personal aus Ex-Avot, die bei Bedarf evoziert werden. Zeit vergeht. Sequenzmanipulation erlaubt man uns immer noch. Alles wird ein bisschen sonderbar. Es kommt zu einer Zweiten Verheerung. Keine Arbeit mit Sequenzen mehr, keine Synvors in den Konzenten, abgesehen von ein paar Ausnahmen, die von der Neuregelung nicht betroffen sind: die Ita, die Uhren, die Seitenbäume, die Bibliothekstrauben und vielleicht noch ein paar Labors außerhalb der Konzente, bemannt mit Rumpfmannschaften aus Evozierten und in Konzenten ausgebildeten Praxikern wie dir. Schön. Jetzt ist alles unter Kontrolle, richtig? Viel können die Avot schließlich nicht machen, wenn sie nichts haben, keine Synvors, überhaupt keine Werkzeuge außer Rechen und Schaufeln, und außerdem werden sie noch von einer Inquisition überwacht. Jetzt stehen wir wirklich unterm Pantoffel der Säkularen Macht – bis sich zweieinhalb Jahrtausende später herausstellt, dass ausreichend kluge, auf Felsgraten eingeschlossene Leute, die nichts tun können als denken, tatsächlich Praxikformen finden können, die keinerlei Werkzeuge erfordern und gerade deshalb umso furchteinflößender sind. Und so kommt es zur Dritten Verheerung – der schlimmsten von allen, viel schrecklicher als die anderen. Siebzig Jahre später wird die mathische Welt wiederhergestellt. Allerdings musst du dir die naheliegende Frage stellen …«
    »Was war von der Neuregelung nicht betroffen?«, sagte Emman und vervollständigte damit meinen Satz. »Was waren die speziellen Ausnahmen?« Und dann trat bis auf das Gebrabbel aus seinem Störgerät Schweigen ein. Jeder von uns wartete darauf, dass der andere den Satz beendete – die Frage beantwortete. Ich hoffte, dass er es wusste – und

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