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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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Angesichts der blutigen Ereignisse, deren Zeugen wir gerade geworden waren, fanden wir die Beerdigungszuggeschwindigkeit gerade angemessen.
    Mit tränenden Augen rief Art: »Warum strecken Hunde bloß so gern den Kopf raus in den Wind?« Ich zuckte die Schultern und blinzelte gegen den Wind. Selbst bei fünfundsechzig Stundenkilometern zerrte der Fahrtwind an Haaren und Haut. Doch die Aussicht aus dieser Öffnung ohne Windschutzscheibe – auf das flammende Karmesinrot und Gold der Berge um uns herum – war die beste, die ich je genossen hatte.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit – seit zwei Jahren, wie mir plötzlich klar wurde – konnte ich Farben, Licht und Schönheit deutlich bis zum Horizont sehen, ohne dass etwas mir den Blick versperrte.

Epilog
    Dürres Laub wirbelte um meine Stiefel, als ich über den Krankenhausparkplatz zum Tor der Body Farm schlurfte. Schiefergraue Wolken jagten über die Berge und die skelettartigen Bäume, und der Morgennebel zog in Bändern den Fluss hinunter, der den Campus von der Body Farm trennt.
    Ich schloss das äußere Vorhängeschloss auf, schwang das Maschendraht-Tor weit auf und öffnete dann das innere Schloss. Die Eisenkette rasselte durch die Löcher in dem hölzernen Sichtschutzzaun und fiel klirrend zu Boden, als das innere Tor aufging. Auf der Lichtung in der Mitte war das Gras braun und büschelig und hatte angefangen auszusamen; orangerote Ahornblätter lagen auf dem Gras, andere hingen mitten in der Luft, aufgefangen von Spinnennetzen. Alles in allem war der Morgen bemerkenswert grau, kühl und trostlos, doch ich nahm das weniger als Omen der Jahreszeit, die vor uns lag, denn als Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse – die erwürgte Mutter und ihr nie geborenes Kind, der feurige Unfall und der verbrannte Deputy, das tragische Ende eines einst vielversprechenden Sportlers und Gesetzeshüters und mit ihm das Ende eines stolzen Familienclans, in einem County, wo Familienclans und alte Fehden großes Gewicht besaßen. Mit der Beerdigung der verschiedenen Toten der Familie Kitchings, sowohl der kürzlich Verstorbenen als auch derer, die vor langer Zeit schon gestorben waren, und der Mordanklage gegen Williams hoffte ich, dass alle Fehden und alten Rechnungen bald beglichen sein würden – zumindest insoweit beglichen, wie solche blutigen Ereignisse das erlaubten.
    Am hinteren Ende der Lichtung lag eine neue Leiche, ein weißer Mann, dessen ohnehin mächtiger Bauch schon anfing, sich aufzublähen und anzuschwellen. An einem soliden Pfosten ein paar Schritte entfernt waren ein Bewegungsmelder und eine Nachtsichtkamera installiert. Bislang hatte noch niemand die Wechselwirkungen zwischen nachtaktiven Räubern und menschlichen Leichen untersucht, also hatte einer meiner Doktoranden die Überwachung wildlebender Tiere als Dissertationsprojekt eingerichtet. Den ersten Nachtfotos von Waschbären und Nagetieren nach zu schließen hatten wir das Zeug zu einer ganzen Serie von Dokumentarfilmen für Animal Planet. Ich kniete mich neben die Leiche und überprüfte das Etikett am Knöchel. Es wies sie als 05-68 aus: die achtundsechzigste Leiche, die der Body Farm im Jahr 2005 gespendet worden war.
    Das Gesicht des Mannes begann sich zu runzeln. Die feinen Fältchen um die Augen herum deuteten darauf hin, dass er in seinem Leben oft und gern gelacht hatte, doch er hatte auch viele Sorgen gehabt, die sich in seine Stirn eingegraben hatten. Ich dachte an die Zeilen von Khalil Gibran: »Je tiefer sich das Leid in euer Sein eingräbt, desto mehr Freude könnt ihr fassen.« War er geliebt worden? Wahrscheinlich, den Lachfalten nach zu urteilen. Hatte er Verluste erlitten? Das war schwer zu vermeiden in einem halben Jahrhundert oder mehr Lebenszeit. Seine Knochen würden schließlich ein schräges Licht auf sein Leben werfen und uns verraten, ob er hart gearbeitet und starke Muskeln mit markanten Muskelansatzpunkten ausgebildet hatte oder ob er ein Leben im Sitzen geführt hatte; ob er fünf Jahrzehnte ohne schwere Verletzungen durchgekommen war oder mit gebrochenen Armen, Beinen, Rippen, Knöcheln und Schlüsselbeinen durchs Leben gekracht war. Seine Akte, jenseits des Flusses in meinem Büro unter dem Stadion, würde mir einige grundlegende Details verraten – Todesursache, nächste Verwandte und so weiter –, doch auf die großen Fragen würde sie wenig Licht werfen: Wer war dieser Mensch tief im Innern wirklich gewesen und was für ein Leben hatte er geführt?
    Was das anging,

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