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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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wandern.«
    »Und wie hoch war das Zusatzeinkommen dafür, dass er mich Ihnen damals auf dem Silbertablett serviert hat?«
    »Zum Teufel, Sie waren ziemlich billig, Doc. Zweihundert, glaube ich.«
    »Das ist wirklich billig. Eigentlich müsste ich ja beleidigt sein.«
    »Nein, das sagt nichts über Ihren Wert aus, das sagt nur etwas darüber, in welcher Provinzliga Leon spielt. Wenn Orbin Sie gefahren hätte und nicht Leon, wäre die Sache leicht zehnmal so teuer geworden.«
    Ich war mir nicht sicher, ob ich mich jetzt besser fühlte oder schlechter. »Und wie lautet die ausführliche Antwort?«
    »Nun, zwischen Leons Leuten, den Leuten des Sheriffs und Big Jim gibt es eine Geschichte. Die reicht weit zurück – böses Blut zwischen den Familien Williams und Kitchings vor gut fünfzig, sechzig Jahren.«
    »Könnte sein, dass ich davon was gehört habe. Leons Großvater starb bei einer Schießerei oder einem Feuer im Gefängnis. Geht es darum?«
    »Genau. Er war von Toms Großvater verhaftet worden, der damals Sheriff war.« Den Teil der Geschichte hatte Williams mir nicht erzählt. »Wenn Leon also die Gelegenheit bekommt, einem Kitchings hinter dessen Rücken eine lange Nase zu machen, dann tut er das aller Wahrscheinlichkeit nach. Nichts Großes; er erweist Tom bloß keinen Respekt, um sich wegen sich und seiner Leute besser zu fühlen.«
    »Und wie passt Big Jim ins Bild?«
    »Nun, er hat auch so seine kleine Geschichte mit den Kitchings. Er wird ihnen nie verzeihen, dass sie sich zwischen ihn und dieses Mädchen gestellt haben. Und sie wiederum vergeben ihm nicht, dass, ach, ich weiß nicht was – vielleicht dass er ein besserer Kerl ist als sie alle zusammen. Manchmal nervt ein wirklich guter Mensch einen ja tierisch, wissen Sie?« Ich nickte. Ja, das kannte ich. »Nun, Jim … ich glaube, er verkörpert das für die Kitchings.«
    Inzwischen hatte der Nebel in meinem Kopf sich gelichtet, und mein Magen und ich schienen einen unsicheren Waffenstillstand erreicht zu haben. Ich schaute auf meine Uhr; ich war im Auto drei Stunden ohnmächtig gewesen beziehungsweise hatte geschlafen, während der große Kerl Wache über mich gehalten hatte. Der Nachmittag ging zu Ende, und mein Ausflug zur Höhle würde warten müssen. Ich bedankte mich bei Waylon dafür, dass er auf mich aufgepasst hatte, sagte Auf Wiedersehen und fuhr auf die I-40 in einen blutroten Sonnenuntergang hinein, der mich den ganzen Weg zurück nach Knoxville an kämpfende Hähne und einander befehdende Familienclans denken ließ.
    Zu Hause duschte ich und fiel ins Bett. Bevor ich jedoch einschlief, kam ich zu einem Entschluss und wählte die Telefonnummer, die ich an dem Tag aus meinem Rolodex geholt hatte, an dem Tom Kitchings eine Waffe auf mich gerichtet hatte.

20
    Das John J. Duncan Federal Building, ein Würfel aus rosafarbenem Granit und schwarzem Glas in der Innenstadt von Knoxville, liegt in der Geometrie der Stadt in einem einzigartigen Nexus aus Geschichte, Macht und Wissen: Auf der einen Seite gegenüber befindet sich der alte Tennessee Supreme Court, auf der anderen Seite der neue Tennessee Supreme Court (der seinerseits in der ehemaligen Post untergebracht ist). Eine Ecke des Würfels stößt an die zentrale öffentliche Bibliothek, und die gegenüberliegende Ecke ist abgerundet, um da, wo die beiden Supreme Courts aufeinandertreffen, einen Eingangsbereich zu bilden. Das innen ganz aus Granit und Glas bestehende Gebäude beherbergt drei Bundesämter: das FBI, den Geheimdienst und das Finanzamt.
    Steve Morgan, Beamter bei der Kriminalpolizei von Tennessee, hieß mich am Eingang zum Gebäude mit einem kräftigen Händedruck willkommen. Steve war ein ehemaliger Student von mir. Er hatte seinen Magisterabschluss zwar in Strafjustiz gemacht, hatte jedoch genügend Anthropologie-Vorlesungen belegt, um sich mit dem menschlichen Skelett auszukennen und die Grundtechniken der forensischen Anthropologie zu beherrschen. Gleich nach dem Magisterabschluss hatte er eine Stelle bei der Kriminalpolizei von Tennessee bekommen. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte ich, als er mir die Tür aufhielt. »Tut mir leid, dass ich Sie an einem Sonntagabend zu Hause angerufen habe.«
    »Kein Problem«, sagte er. »Ich bin froh darüber.« Als er mich in der großen Lobby zur Sicherheitsschleuse führte, bemerkte ich, dass an seiner Hüfte ein Paar Handschellen hing, und lächelte unwillkürlich über die Erinnerung an Steves Tage als Student. In meinem

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