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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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schade, dass ich nicht die Gelegenheit hatte, auf ihn zu setzen.«
    Entweder verstand Waylon den Sarkasmus nicht, oder er überhörte ihn absichtlich. »Wenn wir eine Minute eher hier gewesen wären, hätten Sie setzen können. Ich hab hundert auf ihn gesetzt. Wollte fünf Hunnis setzen, aber die wollte keiner annehmen. Einfache Methode, einen Hunderter zu machen.«
    »Sagen Sie das mal dem toten Hahn«, meinte ich nur.
    Er wirbelte herum, um mich zu mustern, und nickte dann. »Tja, alles eine Frage der Perspektive – oder besser gesagt, der eigenen Position in der Hackordnung, oder?«
    »Dann war das die finanzielle Angelegenheit, die Sie noch regeln mussten, eine Wette beim Hahnenkampf?« Er nickte.
    »Das ist nicht für mich, Doc, und ich tue es auch nicht zum Spaß. Ein Cousin von mir steckt in Schwulitäten. Das hier ist der schnellste Weg, ein bisschen Geld für ihn aufzutreiben.«
    »Weiß Orbin Kitchings, dass sich nur einen Steinwurf von seinem Haus entfernt eine Hahnenkampfarena befindet?«
    Waylon spuckte in das Sägemehl auf dem Boden, das Blut und Spucke gleichermaßen rasch aufsaugte. »Ob er es weiß? Verdammt, er ist regelmäßig dabei. Bekommt seine Prozente von den Einnahmen, setzt aber auch hohe Beträge. Wenn er gewinnt, streicht er fix ein. Wenn er verliert, dann friert eher die Hölle zu, als dass er zahlt. Deswegen will keiner seine Wetten annehmen, außer er setzt einen unter Druck, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Allmählich bekam ich ein klareres Bild von der Sache, und es war ein äußerst bestürzendes Bild des Chief Deputys von Cooke County. »Hören Sie, Doc, ich muss noch mit dem Kerl da drüben reden. Dauert keine Minute.« Er griff in eine Tasche und holte einen kleinen runden Behälter von der Größe und Form einer Thunfischdose heraus. »Hier, bedienen Sie sich, während Sie warten.« Er machte den Deckel auf, und ich roch den feuchten, scharfen Geruch von Tabak. Erstaunt schaute ich darauf: In all den Jahren im Osten von Tennessee hatte man mir noch nie einen Priem angeboten; und jetzt stand ich am Ring eines illegalen Hahnenkampfs und hatte eine ganze Dose Kautabak in der Hand. Was kommt als Nächstes?, überlegte ich. Schwarzbrennerei? Nutten? Sex mit Tieren? Waylon sah die Unsicherheit in meinen Augen. »Sie haben noch nie Kautabak gekaut?«, fragte er ungläubig. Ich schüttelte den Kopf. Er hielt die Dose näher und lächelte ermutigend, einen verirrten Faden zerkauten Tabaks zwischen den oberen Schneidezähnen.
    Ein Mann beugte sich von der Tribüne herunter, offensichtlich interessierte unser Gespräch ihn. »Mach schon, Kumpel, probier’s.«
    Waylon schaute auf. »Oh, hey, Rooster.«
    Rooster nickte Waylon zu und mischte sich dann weiter ein. »Greif zu, das macht dich munter. Siehst aus, als könntest du ein bisschen Aufmunterung gebrauchen.«
    Was soll’s, dachte ich und griff mit Daumen und Zeigefinger hinein. Ich schnappte mir etwas von den feuchten, in Streifen geschnittenen Blättern und schob es langsam zum Mund. Waylon lachte. »Na, Doc, das war nicht genug. Nehmen Sie noch ein bisschen.« Ich griff hinein und verdoppelte die Größe meiner Portion. »Ach, zum Teufel, das merken Sie doch gar nicht. Machen Sie schon, nehmen Sie einen ordentlichen Klumpen.« Verlegen griff ich zum dritten Mal zu und nahm noch den Mittelfinger zu Hilfe. Diesmal hielt ich einen zottigen Klumpen Copenhagen von der Größe eines Wattebauschs zwischen den Fingern. Waylon zwinkerte zustimmend, dann zog er die Unterlippe runter – hinter der gnädigerweise im Augenblick nichts steckte – und zeigte mir, wohin ich den Klumpen stopfen sollte. Als ich tat wie geheißen und sorgfältig die losen Fäden hineinstopfte, strahlte er. »Doc, wir machen noch einen guten alten Kerl aus Ihnen«, sagte er. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, ich bin gleich wieder da.« Ich nickte, denn ich fürchtete, wenn ich etwas sagte, würde ich mich anhören, als hätte ich eine Hasenscharte oder würde eine einzige sabbernde Sauerei veranstalten. Waylon nickte mir noch einmal anerkennend zu und fühlte sich dazu berufen, mir einen letzten Rat zu geben. »Mischen Sie sich einfach unters Volk.«
    Damit schob er sich mit überraschender Anmut durch die Menschenmenge. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rings beugte er sich zu einem runzeligen Zwerg von einem Mann vor, um mit ihm zu reden. Der Mann, dessen faltiges Gesicht an abgewetztes Leder erinnerte, langte in eine Tasche und zog eine dicke Rolle

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