Anbetung
argwöhnischen Blick zu.
»Ehrlich«, sagte ich. »Mir ist eine glitschige Gabel ausgeglitten. «
Das brachte den Mann offenbar zu der Überzeugung, sich nicht weiter mit mir abzugeben. Er händigte mir das Wechselgeld aus, steckte die Waren in eine Plastiktüte und wandte sich wieder seinem Sportteil zu.
In der Herrentoilette der Tankstelle nebenan wusch ich mir das blutige Gesicht ab, reinigte die Wunde, behandelte sie mit Desinfektionsmittel und legte eine Kompresse aus Papierhandtüchern auf. Die Einstiche und Kratzer waren nicht tief, und bald hörte das Bluten auf.
Es war nicht das erste Mal – und auch nicht das letzte –, dass ich mir wünschte, mit meiner paranormalen Gabe auch heilen zu können.
Nachdem ich ein Pflaster auf die Wunde geklebt hatte, kehrte ich zu meinem geliehenen Chevy zurück. Ich setzte mich hinters Lenkrad, ließ den Motor an, richtete die Düsen der Klimaanlage auf mein Gesicht und gluckerte kaltes Pepsi.
Auf meiner Armbanduhr ausschließlich schlechte Nachrichten: 10.48.
Meine Muskeln schmerzten. Die Augen brannten. Ich fühlte mich müde, schwach. Selbst wenn meine geistigen Fähigkeiten noch keinen Gang heruntergeschaltet hatten, wie es mir vorkam, hatte ich nicht die besten Chancen bei einer Konfrontation
mit Robertsons Komplizen, der wahrscheinlich mehr geschlafen hatte als ich.
Es war kaum eine Stunde her, dass ich zwei Koffeintabletten eingenommen hatte, weshalb ich es nicht verantworten konnte, jetzt schon zwei weitere zu schlucken. Außerdem hatte die Säure in meinem Magen inzwischen eine Konzentration erreicht, um Stahl zu ätzen, und ich war gleichzeitig erschöpft und schreckhaft – ein nicht gerade förderlicher Zustand, wenn man überleben wollte.
Obwohl es keine bestimmte Person – keinen Namen, keine Beschreibung – gab, auf die ich meinen paranormalen Magnetismus hätte richten können, fuhr ich aufs Geratewohl durch Pico Mundo und hoffte, trotzdem an einen Ort zu gelangen, der mir weiterhalf.
Der strahlende Wüstentag loderte mit erbarmungsloser Grimmigkeit. Die Luft selbst schien in Flammen zu stehen, als hätte sich die Sonne – mit Lichtgeschwindigkeit kaum achteinhalb Minuten von der Erde entfernt – vor genau acht Minuten zu einer Supernova entwickelt und uns diesen grellen Schein als kurze Warnung vor unserem bevorstehenden Feuertod gesandt.
Jedes Flackern und Blitzen des Lichts, das sich an der Windschutzscheibe brach, stach mir in die Augen. Ich hatte meine Sonnenbrille nicht dabei. Der sengende Glanz rief bald so heftige Kopfschmerzen hervor, dass mir der Gabelstich in die Stirn wie ein Kitzeln vorkam.
Im Vertrauen auf meine Intuition bog ich ziellos von einer Straße in die andere ein, bis ich schließlich nach Shady Ranch geriet, in eines der Neubauviertel von Pico Mundo. Noch vor zehn Jahren waren Klapperschlangen hier die gefährlichsten Bewohner. Nun wohnten Menschen hier, und vielleicht war einer von ihnen das hasserfüllte Ungeheuer, das mitten im
Komfort einer wohlhabenden Stadtrandsiedlung einen Massenmord ausheckte.
Eine richtige Ranch war Shady Ranch nie gewesen, und daran hatte sich nichts geändert, falls man die Häuser nicht als Kuhställe zählte. Was den Schatten betraf, gab es hier auf den Hügeln weniger als in den meisten älteren Stadtvierteln, weil die Bäume noch ziemlich jung waren.
Ich parkte in der Einfahrt meines Vaters, ließ den Motor jedoch noch laufen. Vor der bevorstehenden Begegnung brauchte ich Zeit, um mich zusammenzunehmen.
Wie seine Bewohnter hatte das im mediterranen Stil erbaute Haus wenig Charakter. Unter dem roten Ziegeldach trafen sich nüchterne Flächen aus sandfarbenem Gips und Glas in wenig überraschenden Winkeln, die weniger der architektonischen Fantasie zu verdanken waren als dem Diktat von Grundstücksform und -größe.
Ich beugte mich zu einer der Düsen im Armaturenbrett vor und schloss die Augen vor dem eiskalten Luftstrom. Gespenstische Lichter trieben über die Rückseite meiner Lider, Erinnerungen der Netzhaut an das grelle Wüstenlicht. Einen Moment lang empfand ich sie als seltsam tröstlich – bis Robertsons Brustwunde aus der tieferen Erinnerung aufstieg.
Ich stellte den Motor ab, stieg aus dem Wagen, ging zum Haus und drückte auf die Türklingel meines Vaters.
Zu dieser Morgenstunde war er höchstwahrscheinlich zu Hause. Er hatte in seinem Leben noch keinen einzigen Tag gearbeitet und stand selten vor neun oder zehn Uhr auf.
Überrascht, mich zu sehen, öffnete mein
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