Anbetung
den Märchen der Britischen Inseln ist der Bodach eine kleine, boshafte Kreatur, die durch den Schornstein kommt, um ungezogene Kinder zu holen.
Ich glaube nicht, dass diese Gestalten, die ich sehe, tatsächlich Bodachs sind. Das hat der englische Junge wohl auch nicht geglaubt. Das Wort ist ihm nur deshalb in den Sinn gekommen, weil er keinen besseren Namen für sie kannte. Auch ich kenne keinen.
Unter den Menschen, die ich kennen gelernt habe, ist er der einzige, der denselben besonderen Blick hatte wie ich. Wenige Minuten nachdem er in meiner Gegenwart das Wort Bodach ausgesprochen hatte, wurde er zwischen einem außer Kontrolle geratenen Lastwagen und einer Betonmauer zu Tode gequetscht.
Als ich den Grill erreichte, hatten die drei Bodachs sich zu einem Rudel zusammengetan. Sie rannten weit vor mir her, glitten schimmernd um eine Ecke und verschwanden, als wären sie nichts gewesen als Hitzekobolde, als Täuschungen der Wüstenluft und der mörderischen Sonne.
Denkste.
An manchen Tagen finde ich es schwierig, mich darauf zu konzentrieren, der beste Grillkoch zu sein, der ich sein kann. Auch an diesem Morgen brauchte ich mehr als meine gewöhnliche Disziplin, um mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und dafür zu sorgen, dass die Omelette, Fritten, Burger und Streifen Frühstücksspeck, die von meiner Bratplatte kamen, meinem Ruf alle Ehre machten.
5
» Eier – gehackt und gestreckt«, sagte Helen Arches.
»Einmal Schwein hockend, Bratkartoffeln, Infarktschindeln. «
Sie klemmte den Bon an die Bestellschiene und schnappte sich eine frische Kanne Kaffee, um ihren Gästen die Tassen aufzufüllen.
Helen ist seit zweiundvierzig Jahren eine ausgezeichnete Kellnerin. Als sie anfing, war sie achtzehn. Nach so viel guter Arbeit sind ihre Knöchel steif und ihre Füße platt geworden, weshalb ihre Schuhe bei jedem Schritt auf den Boden klatschen.
Dieses leise Flapp-flapp-flapp ist einer der Grundrhythmen der wundervollen Musik des Pico Mundo Grill, zusammen mit dem Brutzeln und Zischen bratender Dinge, dem Klirren von Besteck und dem Klappern von Tellern. Die Unterhaltung der Gäste und Angestellten liefert die Melodie.
Wir hatten viel zu tun an jenem Dienstagmorgen. Sämtliche Sitznischen waren belegt, ferner zwei Drittel der Hocker vor der Theke.
Ich mag es, viel zu tun zu haben. Meine Grillplatte und meine Pfannen bilden die zentrale Bühne des Lokals. Sie sind für jedermann gut einsehbar, und ich ziehe Fans an wie ein Schauspieler auf den Brettern des Broadways.
Wenn nichts los ist, dann ist ein Grillkoch in derselben Lage wie der Dirigent eines Symphonieorchesters, der weder Musiker noch Publikum hat. Bereit zu handeln, steht er da, mit Schürze statt Frack und Fleischwender statt Taktstock, und wartet
sehnlichst darauf, Kunstwerke zu gestalten – nicht die von Komponisten, sondern die mit Huhn.
Das Ei ist Kunst, auf jeden Fall. Vor die Wahl gestellt, sich für Beethoven oder zwei in Butter gebratene Spiegeleier zu entscheiden, wird ein hungriger Mensch stets die Eier – also das Huhn – wählen und feststellen, dass seine Stimmung mindestens so gehoben wird wie beim Hören von Requiem, Rhapsodie oder Sonate.
Jeder kann ein Ei aufschlagen und den Inhalt in Pfanne, Topf oder Tiegel fallen lassen, aber nur wenige können so geschmackvolle Omelette, so flockiges Rührei und so spiegelnde Spiegeleier zaubern wie ich.
Das sage ich nicht aus Stolz. Na gut, eigentlich doch, aber es ist Stolz auf eine Leistung, nicht Eitelkeit oder Angeberei.
Schließlich wurde ich nicht mit der Kunstfertigkeit eines begabten Frittenjongleurs geboren. Ich habe durch Studium und Übung gelernt, unter der Obhut von Terri Stambaugh, die den Pico Mundo Grill besitzt.
Als andere keine Zukunftsperspektiven für mich sahen, hat Terri an mein Potenzial geglaubt und mir eine Chance gegeben. Ich bemühe mich, ihr Vertrauen mit Cheeseburger von exemplarischer Qualität zu vergelten und mit Pfannkuchen, die fast so leicht sind, dass sie vom Teller schweben.
Terri ist nicht nur meine Arbeitgeberin, sondern auch mein kulinarisches Vorbild, meine Ersatzmutter und eine gute Freundin.
Außerdem ist sie für mich die erste Autorität in Sachen Elvis Presley. Nennt man ihr einen beliebigen Tag im Leben des King of Rock ’n’ Roll, so wird sie ohne Zögern berichten, wo er an diesem Datum war und was er dort getan hat.
Ich hingegen bin vertrauter mit seinen Aktivitäten nach seinem Tod.
Ohne auf Helens Bon zu schauen, streckte
Weitere Kostenlose Bücher