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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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anderen haben sie – oft unbewusst – Angst davor, ihren Verstand und ihr Herz für die Wahrheit zu öffnen, dass das Universum wesentlich komplexer und bedeutungsvoller ist als die materielle Welt, die laut dem, was sie gelernt haben, die Summe aller Dinge sein soll.
    Es überraschte mich also nicht, dass Violas Albtraum, der mir früher am Tag noch unwichtig vorgekommen war, sich nun doch als bedeutsam entpuppt hatte. »Kommen in deinen Träumen Stimmen und Geräusche vor?«, fragte ich. »Bei manchen Leuten ist das nämlich nicht so.«
    »Bei mir schon. In diesem Traum kann ich mich atmen hören. Und ich höre die Menge.«
    »Menge?«
    »Eine brüllende Menge. So ähnlich wie in einem Stadion.«
    »Wo könnte man in Pico Mundo so was wohl erleben?«, sagte ich verblüfft.
    »Keine Ahnung. Vielleicht bei einem Baseballspiel der Jugendliga. «
    »Da kommen aber nicht besonders viele Leute«, mischte Stormy sich ein.
    »Es waren auch nicht unbedingt mehrere tausend Stimmen«, sagte Viola. »Vielleicht bloß ein paar hundert. Einfach eine Menge, die gebrüllt hat.«
    »Und dann?«, fragte ich. »Wie siehst du, dass man dich erschießt? «
    »Sehen tue ich das nicht. Die Schatten, die Lichtblitze, ich renne, und dann stolpere ich, falle auf alle viere …«
    Violas Augen zuckten hinter den Lidern. Es sah aus, als schliefe sie und erlebte den Albtraum zum ersten Mal.
    »… auf alle viere«, wiederholte sie. »Die Hände sind in was Schlüpfrigem. Es ist Blut. Dann wirbeln die Schatten weg,
Licht bricht herein, und ich schaue hinunter auf mein totes Gesicht.«
    Sie schauderte und öffnete die Augen.
    Winzige Schweißperlen benetzten ihre Stirn und die Oberlippe.
    Trotz des Ventilators war es im Zimmer warm. Dennoch hatte Viola nicht geschwitzt, bevor sie anfing, sich an den Traum zu erinnern.
    »Gibt es noch etwas, irgendwelche anderen Einzelheiten?«, fragte ich. »Auch wenn es noch so unwichtig zu sein scheint, es könnte mir helfen. Worauf hast du … also, eigentlich dein toter Körper … Worauf hat der gelegen? Auf einem Fußboden? Auf Gras? Asphalt?«
    Viola dachte eine Weile nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Keine Ahnung. Das Einzige, was mir noch einfällt, ist der Mann, der tote Mann.«
    Ich setzte mich auf. »Meinst du, da war noch eine weitere … Leiche?«
    »Neben mir … neben meinen Körper. Der Mann lag irgendwie komisch auf der Seite. Ein Arm war auf den Rücken gedreht. «
    »Gab es noch andere Opfer?«, fragte Stormy.
    »Vielleicht. Aber ich hab nur ihn gesehen.«
    »Hast du ihn erkannt?«
    »Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Es war von mir abgewandt. «
    »Viola«, sagte ich, »wenn du dich anstrengst, erinnerst du dich vielleicht, wie …«
    »Nein, ich hatte sowieso kein Interesse an ihm. Ich hatte viel zu viel Angst, um mir zu überlegen, wer er ist. Als ich in mein totes Gesicht geschaut hab, da hab ich schreien wollen, und als das nicht ging, hab ich’s noch mal versucht, und dann saß ich
aufrecht im Bett und hab gemerkt, wie ich den Schrei aus mir herauspresse. Eigentlich war es mehr ein Keuchen als ein Schrei.«
    Die Erinnerung regte Viola sichtlich auf. Sie erhob sich halb, aber vielleicht hatte sie weiche Knie, jedenfalls setzte sie sich gleich wieder.
    »Was hat er angehabt?«, fragte Stormy, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
    »Wer – der Mann in meinem Traum? Ein Bein von ihm war zurückgebogen, der Schuh saß nur noch halb am Fuß. Ein Slipper.«
    Wir warteten, während Viola ihr Gedächtnis durchforschte. Träume, die dick wie Sahne sind, wenn wir sie erleben, sind dünn wie Magermilch, wenn wir aufwachen, und mit der Zeit werden sie aus unserer Erinnerung gespült und hinterlassen weniger Rückstände als Wasser, das man durch ein Käsetuch gefiltert hat.
    »Seine Hose war mit Blut bespritzt«, sagte Viola schließlich. »Die war kakifarben, glaube ich. Irgendwie braun jedenfalls. «
    Der langsam kreisende Ventilator bewegte die Blätter einer Topfpalme in der Ecke und entlockte ihnen ein trockenes Rascheln, das mich an über den Boden huschende Kakerlaken oder Ratten denken ließ.
    Viola betrachtete die letzten Einzelheiten ihres Traums, die im Käsetuch ihrer Erinnerung hängen geblieben waren: »Ein Polohemd …«
    Ich stand auf. Ich musste mich bewegen. Als mir klar wurde, dass das Zimmer zu klein war, um darin herumzuwandern, blieb ich trotzdem stehen.
    »Grün«, fuhr Viola fort. »Ein grünes Polohemd.«
    Ich dachte an den Typ hinter der Theke des

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