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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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wohnte nur zwei Häuserblocks von Camp’s End entfernt, aber dank ihrem unermüdlichen Gärtnern und Renovieren schien ihr Eigenheim weit weg von jenem schäbigen Viertel zu stehen.
    So klein und einfach Violas Haus war, es glich einem der märchenhaften Landhäuser auf den romantischen Gemälden von Thomas Kinkade. Unter dem fast vollen Mond glühten seine Mauern so weich wie von hinten beleuchteter Alabaster. Eine Kutschenlampe warf ihren Schein auf die purpurroten Blütenblätter der Trompetenblume, die sich über das Spalier rund um die Haustür rankte.
    Ohne sichtbar überrascht zu sein, dass wir so spät noch unangekündigt auftauchten, begrüßte Viola uns mit einem freundlichen Lächeln und bot uns Kaffee oder Eistee an, was wir dankend ablehnten.
    Wir setzten uns in das kleine Wohnzimmer, dessen Holzboden Viola eigenhändig abgeschliffen und neu lackiert hatte. Sie hatte den Flickenteppich selbst gewebt. Sie hatte die Chintzvorhänge genäht und die Überzüge, in denen die alten Polstermöbel wie neu aussahen.
    Viola, die auf der Sesselkante hockte, war schlank wie ein junges Mädchen. Die Mühen und Plagen des Lebens hatten keine Spuren bei ihr hinterlassen. Auf jeden Fall sah sie nicht alt und mitgenommen genug aus, um die allein erziehende Mutter
ihrer beiden fünf- und sechsjährigen Töchter zu sein, die in einem Hinterzimmer schliefen.
    Ihr Mann Rafael, der sie verlassen hatte und keinen roten Heller zum Wohlergehen seiner Kinder beitrug, war ein solcher Narr, dass man ihn hätte zwingen sollen, ein passendes Kostüm zu tragen – samt bunter Kappe und Schnabelschuhen.
    Eine Klimaanlage gab es in dem Haus nicht. Die Fenster waren offen, und auf dem Boden stand ein elektrischer Ventilator, dessen kreisende Flügel der Luft eine Illusion von Kühle verliehen.
    Viola beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie. An die Stelle ihres Lächelns trat ein ernster, erwartungsvoller Blick, weil sie offenbar wusste, weshalb ich gekommen war. »Es geht um meinen Traum, oder?«, sagte sie leise.
    Auch ich sprach leise, um die schlafenden Kinder nicht zu stören. »Erzähl ihn mir noch mal.«
    »Ich hab mich selbst mit einem Loch in der Stirn gesehen, und mein Gesicht war ganz … zerstört.«
    »Du hattest den Eindruck, dass man auf dich geschossen hat.«
    »Dass man mich totgeschossen hat«, bestätigte sie und faltete die Hände zwischen den Knien wie beim Gebet. »Mein rechtes Auge war blutunterlaufen und scheußlich angeschwollen. Es hing halb aus der Höhle.«
    »Ein typischer Angsttraum«, sagte Stormy, die damit Viola irgendwie beruhigen wollte. »So was hat mit der Zukunft nichts zu tun.«
    »Das habe ich schon mal gehört«, sagte Viola. »Odd … der hat heute Nachmittag dasselbe behauptet.« Sie sah mich an. »Du musst deine Meinung geändert haben, sonst wärst du jetzt nicht hier.«
    »Wo warst du in deinem Traum?«, fragte ich.

    »Nirgendwo. Du weißt schon, an einem Traumort … ganz undeutlich, verschwommen.«
    »Gehst du manchmal zum Bowling?«
    »Dazu braucht man Geld. Ich muss für die Studiengebühren sparen. Aus meinen Mädels soll einmal was werden.«
    »Warst du schon mal in den Green Moon Lanes?«
    Viola schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Hat irgendetwas in dem Traum darauf hingedeutet, dass er in einem Bowlingcenter spielen könnte?«
    »Nein. Wie schon gesagt, es war kein echter Ort. Wie kommst du eigentlich auf ein Bowlingcenter? Hast du etwa auch einen Traum gehabt?«
    »Ja, hab ich.«
    »Tote Menschen?«, fragte Viola.
    »Ja.«
    »Sind deine Träume jemals Wirklichkeit geworden?«
    »Manchmal«, gab ich zu.
    »Ich wusste, dass du mich verstehen würdest. Deshalb hab ich dich auch gebeten, mir weiszusagen.«
    »Erzähl mir mehr über deinen Traum, Viola.«
    Sie schloss die Augen, um sich besser erinnern zu können. »Ich laufe vor irgendwas weg. Da sind diese Schatten, ein paar Lichtblitze, aber nichts davon ist was Bestimmtes.«
    Mein sechster Sinn ist einzigartig, was seine Klarheit angeht. Aber ich glaube, dass viele Menschen unbemerkt übersinnliche Wahrnehmungen haben – wenn auch weniger dramatisch –, die sich im Lauf ihres Lebens immer wieder ereignen: Vorahnungen, die gelegentlich in Form von Träumen kommen, aber auch andere Momente verblüffender Einsicht.
    Normalerweise setzen solche Menschen sich mit ihren Erfahrungen nicht weiter auseinander. Das liegt zum einen daran, dass sie glauben, es sei irrational, die Existenz des Übernatürlichen
anzuerkennen. Zum

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