Anbetung
gegen Bodachs nutzten sie nichts. Im Zimmer befanden sich fünf davon.
26
An jedem Bett standen zwei finstere Schatten, Besucher aus der einen oder anderen Hölle, Reisende durch die schwarze Kammer.
Sie beugten sich über die Mädchen und schienen sie mit regem Interesse zu betrachten. Ihre Hände, falls sie Hände hatten, schwebten wenige Zentimeter über den Laken und schienen die verhüllten Konturen der kleinen Körper langsam nachzufahren.
Ich wusste zwar nicht genau, was sie da taten, aber ich stellte mir vor, dass sie von der Lebensenergie von Nicolina und Levanna angezogen wurden – und sich irgendwie darin aalten.
Offenbar hatten die Wesen nicht wahrgenommen, dass wir ins Zimmer gekommen waren. Sie waren gebannt, ja fast hypnotisiert von etwas, was die Mädchen ausstrahlten und was mir unsichtbar blieb, während es die Bodachs geradezu blendete.
Das fünfte Wesen kroch über den Boden; die Bewegungen dabei waren so fließend und schlängelnd wie die eines Reptils. Es glitt unter Levannas Bett und schien sich dort zusammenzurollen, kam jedoch gleich wieder mit salamandrischen Windungen hervor und kroch unter Nicolinas Bett, wo es sich lautlos wie eine in Zeitlupe zappelnde Schlange hin und her wand.
Ein Schauder überkam mich, den ich nicht unterdrücken konnte. Ich spürte, dass dieser fünfte Eindringling eine feine Spur kostete, einen ätherischen Rückstand, den die Füße der kleinen Mädchen hinterlassen hatten. Und ich glaubte zu sehen,
wie der sich windende Bodach wiederholt mit einer kalten, dünnen Zunge den Teppichboden ableckte.
Da ich mich nicht über die Schwelle wagte, flüsterte Viola: »Ist schon in Ordnung. Sie haben einen tiefen Schlaf, alle beide.«
»Sie sind wunderschön«, sagte Stormy.
Viola strahlte vor Stolz. »Es sind wirklich liebe Mädchen.« Dann sah sie in meinem Gesicht offensichtlich einen schwachen Widerschein des Abscheus, der mich ergriffen hatte, jedenfalls fragte sie: »Was ist denn?«
Stormy, die mich beobachtete, während ich mich zu einem wenig überzeugenden Lächeln zwang, ahnte sofort die Wahrheit. Sie spähte in die dunklen Ecken des Zimmers, nach links, nach rechts, zur Decke, um wenigstens einen flüchtigen Blick auf das übernatürliche Wesen zu erhaschen, das sich mir da offenbarte.
Die vier Bodachs, die sich über die Betten beugten, sahen aus wie Priester einer diabolischen Religion am Altar eines Menschenopfers. Mit den fließenden, wellenförmigen Bewegungen einer rituellen Pantomime glitten ihre Hände über die schlafenden Mädchen.
Weil es mir nicht gelang, sofort auf die Frage zu antworten, dachte Viola wohl, mit den Mädchen sei etwas nicht in Ordnung, jedenfalls tat sie einen Schritt auf die Betten zu.
Behutsam fasste ich sie am Arm und hielt sie zurück. »Entschuldigung, Viola. Alles ist gut. Ich wollte mich nur vergewissern, dass die Mädchen in Sicherheit sind. Und mit den Stäben da am Fenster sind sie es.«
»Sie wissen, wie man den Hebel bedient, wenn es brennen sollte«, sagte Viola.
Eines der Wesen an Nicolinas Bett schien aus seiner Verzückung zu erwachen und unsere Anwesenheit wahrzunehmen. Die Hände wurden langsamer, ohne ihre unheimlichen
Bewegungen ganz einzustellen, und es hob den wölfischen Kopf, um mit bedrohlicher, augenloser Intensität in unsere Richtung zu spähen.
Es widerstrebte mir, die Mädchen mit diesen fünf Phantomen allein zu lassen, aber ich konnte nichts tun, um sie zu verscheuchen.
Aus meinen Begegnungen mit Bodachs konnte ich außerdem schließen, dass sie diese Welt zwar mit manchen der fünf Sinne – vielleicht sogar mit allen – wahrnehmen können, aber offenbar keinerlei Wirkung auf die Dinge hier haben. Ich habe sie nie ein Geräusch machen hören, habe nie gesehen, wie sie einen Gegenstand bewegten oder beim Vorübergleiten auch nur die in der Luft treibenden Staubteilchen durcheinander wirbelten.
Sie haben weniger Substanz als das Ektoplasma eines Geistes, das bei einer Séance über dem Tisch schwebt. Es sind Traumwesen auf der falschen Seite des Schlafs.
Den Mädchen würde nichts geschehen. Nicht hier. Noch nicht.
Das hoffte ich wenigstens.
Anscheinend waren die reisenden Geister nach Pico Mundo gekommen, um bei einem Festival des Bluts in der ersten Reihe zu sitzen, und vertrieben sich nun am Vorabend des Ereignisses die Zeit. Vielleicht genossen sie es, die Opfer zu betrachten, bevor die Schüsse fielen; vielleicht amüsierte und erregte es sie, wie unschuldige Menschen völlig
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