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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Kissenbezügen fand ich das sauber gebügelte und gefaltete Laken.
    Obwohl es angesichts der Lage zweifellos gerechtfertigt war, ein gutes Laken zu opfern, bedauerte ich den Verlust. Gut gemachte Baumwollbettwäsche ist nicht billig, und ich bin leicht allergisch gegen viele der Kunstfasern, die oft für diese Zwecke verwendet werden.
    Im Badezimmer breitete ich das Laken auf dem Boden aus.
    Als Toter hatte Robertson an meinen Problemen keinerlei Interesse, weshalb ich von ihm nicht erwarten konnte, mir mein Vorhaben zu erleichtern. Trotzdem war ich überrascht, als er sich dagegen wehrte, aus der Wanne gehievt zu werden. Natürlich handelte es sich nicht um aktive Auflehnung, sondern um den passiven Widerstand der Totenstarre.
    Alles in allem war Robertson so steif und so schwer zu handhaben wie ein chaotisch zusammengenagelter Bretterhaufen.
    Widerstrebend legte ich die Hand auf sein Gesicht. Er fühlte sich kälter an, als ich erwartet hätte.
    Vielleicht musste ich meine Interpretation der Dinge, die hier geschehen waren, teilweise revidieren. Ohne groß nachzudenken,
hatte ich nämlich bestimmte Vermutungen angestellt, die vom Zustand der Leiche nicht erhärtet wurden.
    Um die Wahrheit herauszubekommen, musste ich Robertson genauer untersuchen. Weil er auf dem Bauch in der Wanne gelegen hatte, bevor ich ihn gefunden und umgedreht hatte, knöpfte ich nun sein Hemd auf.
    Diese Aufgabe erfüllte mich mit Ekel und Widerwillen, was ich auch erwartet hatte. Nicht vorbereitet war ich hingegen auf ein grausiges Gefühl der Intimität, von dem mir schleichend übel wurde.
    Meine Finger waren vor Schweiß ganz feucht. Die glänzenden Knöpfe fühlten sich glitschig an.
    Ich betrachtete Robertsons Gesicht, weil ich mir sicher zu sein glaubte, dass sich sein Blick nicht mehr aufs Jenseits richtete, sondern auf meine nestelnden Finger. Natürlich hatte sein entsetzter Ausdruck sich nicht geändert, und er stierte weiterhin auf etwas jenseits des Schleiers, der diese Welt und die nächste voneinander trennte.
    Seine Lippen waren leicht geöffnet, als hätte er beim letzten Atemzug den Tod begrüßt oder eine nicht erhörte Bitte geäußert.
    In Robertsons Gesicht zu schauen machte mich nur noch kribbeliger. Als ich mich wieder auf die widerspenstigen Knöpfe konzentrierte, malte ich mir aus, dass seine Augen der Bewegung meines Blicks folgten. Hätte ich einen stinkenden Atemhauch an der Stirn gespürt, so hätte ich wohl aufgeschrien, jedoch ohne überrascht zu sein.
    Vor keiner Leiche hat es mir je so gegruselt wie vor dieser. Allerdings sind die meisten Toten, mit denen ich in Berührung komme, Erscheinungen, was mir eine zu nahe Bekanntschaft mit den unangenehmen biologischen Begleiterscheinungen des Todes erspart.

    Was mich hier aus der Fassung brachte, waren jedoch weniger der Geruch und der Anblick früher Verwesung als die physischen Eigentümlichkeiten des Toten – das schwammige, pilzige Aussehen, das ihn im Leben ausgezeichnet hatte – und die außergewöhnliche Faszination, die Folter, brutaler Mord, Verstümmelung, Enthauptung und Kannibalismus für ihn gehabt hatten, wie seine Aktenmappen bewiesen.
    Ich knöpfte den letzten Knopf auf und schlug das Hemd zur Seite.
    Weil er kein Unterhemd trug, sah ich die Leichenflecken sofort. Nach dem Tod sinkt das Blut in die tiefer gelegenen Teile des Körpers ab, wodurch dieser Bereich aussieht, als hätte man ihn übel misshandelt. Robertsons schwabbelige Brust und sein schlaffer Bauch waren gefleckt, dunkel und ekelerregend.
    Die Kühle seiner Haut, die Totenstarre und die fortgeschrittene Bildung der Leichenflecken wiesen darauf hin, dass er nicht innerhalb der vergangenen beiden Stunden gestorben war, sondern schon viel früher. Zwar hätte die Wärme meiner Wohnung die Verwesung beschleunigt, aber nicht in diesem Maß.
    Als ich vom Kirchturm aus gesehen hatte, wie Robertson auf dem Friedhof stand und mir den Finger zeigte, da war er wahrscheinlich kein lebendiger Mensch mehr gewesen, sondern eine Erscheinung.
    Ich versuchte mich zu erinnern, ob Stormy ihn auch gesehen hatte. Erst hatte sie sich gebückt, um Käse und Cracker aus dem Picknickkorb zu holen. Dann hatte ich sie versehentlich angerempelt, das Essen war ihr aus den Händen gefallen und hatte sich auf dem Boden verteilt …
    Nein. Sie hatte Robertson gar nicht gesehen. Als sie aufgestanden war und sich über die Brüstung gebeugt hatte, um in den Friedhof hinabzublicken, war er fort gewesen.

    Kurze Zeit

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