Anbetung
schleunigst fliehen zu können, oder sollte ich sie abschließen, damit niemand hinter mir hereinkam? Nach allzu langem Zögern schloss ich leise die Tür und ließ den Riegel zuschnappen.
Gelegentlich drang das Zwitschern und Gurren eines Nachtvogels durch die beiden Fenster mit Fliegengittern, die ich zur Belüftung offen gelassen hatte. Sonst war die Stille so tief, dass ein Wassertropfen, der in der Kochnische vom Wasserhahn ins Spülbecken fiel, ein Plonk! machte, bei dem mir das Trommelfell zitterte.
Der offensichtlichen Aufforderung, die Waffe aufzuheben,
leistete ich problemlos Widerstand. Ich stieg einfach darüber hinweg.
Einer der Vorteile, in einem einzigen Zimmer zu wohnen, wo der Sessel nur wenige Schritte vom Bett und das Bett nur wenige Schritte vom Kühlschrank entfernt ist, liegt darin, dass die Suche nach einem Eindringling kaum eine Minute beansprucht. Der Blutdruck hat keine Zeit, einen Schlaganfall auslösende Höhen zu erreichen, wenn man nur hinters Sofa und in einen einzigen Kleiderschrank schauen muss, am alle möglichen Verstecke abzuklären.
Nur das Bad musste noch untersucht werden.
Die Tür war zu. Ich hatte sie offen gelassen.
Nach dem Duschen lasse ich sie immer offen, weil das Bad nur ein einziges kleines Fenster hat, kaum mehr als ein Bullauge, und einen Ventilator, der so viel Krach macht wie der Schlagzeuger einer Heavymetalband, aber weniger Luft aufwirbelt. Würde ich die Tür zumachen, wäre das Bad bald von einer aggressiven Schimmelmutation mit Lust auf Menschenfleisch besetzt, und ich wäre gezwungen, mich fortan im Spülbecken zu waschen.
Ich nahm mein Handy vom Gürtel und überlegte, ob ich bei der Polizei anrufen sollte, um einen Einbruch anzuzeigen.
Wenn die herbeigerufenen Beamten allerdings niemanden im Badezimmer fanden, dann stand ich ganz schön dumm da. Außerdem kamen mir Szenarien in den Sinn, in denen ich womöglich noch dümmer als dumm dastand.
Ich betrachtete die Waffe auf dem Boden. Wenn jemand sie mit Bedacht dorthin gelegt hatte, mit der Absicht, dass ich sie aufhob, wieso wollte dieser Jemand mich dann in ihren Besitz bringen?
Nachdem ich das Handy auf die Frühstückstheke gelegt hatte, stellte ich mich an eine Seite der Badezimmertür und
lauschte angestrengt. Die einzigen Geräusche waren der immer wiederkehrende Gesang des Nachtvogels und, nach einer langen Pause, das Plonk! eines weiteren Wassertropfens im Spülbecken.
Der Türknauf ließ sich ohne Widerstand drehen. Die Tür ging nach innen auf.
Jemand hatte das Licht angelassen.
Ich achte darauf, Strom zu sparen. Auch wenn es nur um Kleingeld gehen mag, ein heiratswilliger Grillkoch kann es sich nicht leisten, für die Spinnen und Geister, die in seiner Abwesenheit sein Quartier aufsuchen, Licht brennen oder Musik spielen zu lassen.
Nun, da die Tür weit offen stand, hätte das kleine Bad einem Eindringling nur noch ein einziges Versteck bieten können: die Badewanne hinter dem geschlossenen Duschvorhang.
Den Vorhang ziehe ich nach dem Duschen immer zu, sonst würde er in der schlecht belüfteten Kammer nicht richtig trocken. In den feuchten Falten würde sich sofort Schimmel breit machen.
Seit ich am gestrigen Morgen weggegangen war, hatte jemand den Vorhang beiseite gezogen. Diese Person oder jemand anders lag momentan bäuchlings in der Badewanne.
Wenn sie nicht in die Wanne gefallen war, dann hatte man sie dort in totem Zustand hineingeworfen. Kein lebender Mensch hätte in einer derart unbequemen Position dagelegen. Das Gesicht war an den Abfluss gepresst, und der rechte Arm war so merkwürdig auf den Rücken gedreht, dass entweder die Schulter ausgekugelt oder sogar die Rotatorenmanschette gerissen war.
Die Finger der sichtbaren, bleichen Hand waren zu einer steifen Klaue gekrümmt. Sie zuckten nicht, und auch kein Zittern war zu sehen.
Auf dem Porzellan des hinteren Wannenrands war eine dünne Blutspur getrocknet.
Wenn eine größere Menge Blut vergossen wurde, dann kann man es riechen. In frischem Zustand ist der Geruch nicht faulig, sondern fein, scharf und erschreckend. Hier roch ich nichts davon.
Eine glänzende Pfütze Flüssigseife auf der Ablage und üppiger Schaum im Waschbecken wiesen darauf hin, dass der Mörder sich nach der Tat ausgiebig die Hände gewaschen hatte, möglicherweise um Blut wegzuschrubben oder um Spuren verräterischen Schießpulvers zu entfernen.
Nach dem Händetrocknen hatte er das Handtuch in die Badewanne geworfen. Es bedeckte den
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