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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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einen kleinen Ausschnitt sehen konnte, erhellte das Mondlicht die Szenerie nicht genügend, um einer Aussage der Nachbarn vor Gericht Glaubwürdigkeit zu verleihen.
    Mühsam hievte ich die eingewickelte Leiche vom Boden ins offene Fenster. Die Füße schob ich zuerst hinaus, denn obwohl Robertson unbestreitbar tot war, war es mir unangenehm, ihn auf den Kopf fallen zu lassen. Als er schon halb aus dem Fenster war, blieb das Laken an einem hervorstehenden Nagel hängen, aber mit der nötigen Entschlossenheit brachte ich ihn so weit hinaus, dass die Schwerkraft zum Zug kommen konnte.
    Die Fallhöhe vom Fensterbrett bis zum Boden betrug etwa vier Meter. Nicht besonders tief. Dennoch rief der Aufprall ein brutales, ekelhaftes Geräusch hervor. Bestimmt war es sofort als das einer Leiche erkennbar, die aus einer gewissen Höhe auf den Boden plumpste.
    Nirgends bellte ein Hund. Niemand sagte: Hast du da nicht was gehört, Maude? Niemand antwortete: Ja, Clem, ich hab gehört, wie Odd Thomas eine Leiche aus dem Fenster geschmissen hat. Pico Mundo schlief weiter.
    Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, nahm ich ein paar Papierhandtücher und hob damit die Pistole vom Teppichboden auf. Ich steckte sie zu den anderen Sachen in die Plastiktüte.
    Bei einem letzten Ausflug ins Badezimmer vergewisserte ich mich, dass ich beim Saubermachen nichts Auffälliges übersehen hatte. Später musste ich die Sache noch einmal gründlicher angehen, wofür ich jetzt keine Zeit hatte: verräterische Haare und Fasern absaugen, sämtliche Oberflächen abwischen, um Bob Robertsons Fingerabdrücke zu entfernen …
    Dem Mörder würde ich dabei bestimmt nicht in die Hände spielen. Alles deutete darauf hin, dass es sich um einen eiskalten
Profi handelte, der ohnehin zu schlau und achtsam vorgegangen war, um Fingerabdrücke oder andere Indizien für seine Anwesenheit zu hinterlassen.
    Als ich auf meine Armbanduhr schaute, war ich verblüfft. 1.38 Uhr. Ich hatte das Gefühl gehabt, die Nacht würde regelrecht auf die Dämmerung zujagen, und angenommen, es müsse mindestens halb drei sein.
    Trotzdem lief mir die Zeit davon. Obwohl ich eine Digitaluhr hatte, glaubte ich das Ticken zu hören, mit dem meine Gelegenheit zu handeln verrann.
    Nachdem ich im Bad das Licht ausgeschaltet hatte, ging ich zum vorderen Fenster und lugte durch die Jalousie auf die Straße. Falls dort jemand Wache stand, konnte ich ihn noch immer nicht sehen.
    Die Einkaufstüte in der Hand, verließ ich die Wohnung und schloss hinter mir die Tür ab. Während ich die Treppe hinunterging, fühlte ich mich so aufmerksam beobachtet wie eine Miss-America-Kandidatin bei ihrem Auftritt im Badeanzug.
    Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass mich niemand beobachtete, aber ich trug ein Schuldgefühl mit mir herum, das mich befangen machte. Nervös durchforschte ich die Nacht und schaute dabei überallhin außer auf die Stufen vor mir; es war ein Beweis für die Existenz von Wundern, dass ich nicht stürzte, mir den Hals brach und der Polizei das Rätsel einer zusätzlichen Leiche aufgab.
    Ihr fragt euch vielleicht, weshalb ich mich schuldig fühlte. Schließlich hatte ich Bob Robertson nicht umgebracht.
    Nun ja, ich brauche nie einen guten Grund, um Schuldgefühle zu entwickeln. Manchmal fühle ich mich verantwortlich für ein Zugunglück in Georgia, für einen Terroranschlag in einer fernen Großstadt, für einen Tornado in Kansas …

    Ein Teil von mir glaubt, wenn ich energischer daran arbeiten würde, meine Gabe zu erforschen und zu entwickeln, statt lediglich Tag für Tag mit ihr fertig zu werden, dann wäre ich vielleicht in der Lage, bei der Festnahme von mehr Kriminellen mitzuwirken und mehr Leben vor bösen Menschen und der rohen Natur zu schützen, selbst an weit von Pico Mundo entfernten Orten. Ich weiß natürlich, dass das nicht der Fall ist. Würde ich mich wesentlich stärker mit dem Übernatürlichen einlassen, dann verlöre ich den Kontakt zur Realität und würde langsam in einem sanften Wahnsinn versinken, in dem ich für niemanden mehr nützlich wäre. Das weiß ich, und dennoch legt jener vorwurfsvolle Teil von mir immer wieder meinen Charakter auf die Goldwaage und erklärt mich für unzulänglich.
    Ich weiß schon, wieso ich so eine leichte Beute für Schuldgefühle darstelle. Das liegt an meiner Mutter und ihrer Waffensammlung.
    Die Struktur der eigenen Psyche zu kennen bedeutet noch lange nicht, sie auch problemlos umbauen zu können. In diesem Sinne gehört eine

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