Anbetung
später, als ich die Vordertür der Kirche geöffnet und gesehen hatte, wie Robertson die Treppe hochstürmte, war Stormy hinter mir gewesen. Ich hatte die Tür wieder zufallen lassen und war mit Stormy schleunigst aus der Vorhalle ins Kirchenschiff geflüchtet.
Vor den Ereignissen in der St. Bartholomew hatte ich Robertson zwei Mal vor Little Ozzies Haus in Jack Flats gesehen. Zuerst hatte er auf dem Bürgersteig gestanden, dann hinten im Garten.
In beiden Fällen war Ozzie nicht dabei gewesen, um zu bestätigen, dass es sich bei seinem Besucher um eine echte, lebende Person handelte.
Von seinem Ausguck auf dem Fensterbrett aus hatte Terrible Chester den Mann am Zaun erblickt und deutlich auf ihn reagiert. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass Robertson körperlich da gewesen war.
Bei vielen Gelegenheiten habe ich beobachtet, wie Hunde und Katzen auf die Anwesenheit von Geistern reagierten – Bodachs ausgenommen, die sehen sie nämlich nicht. Normalerweise ist diese Reaktion in keiner Weise dramatisch, sondern ganz subtil; offenbar regen Tiere sich über Geister nicht besonders auf.
Die Feindseligkeit von Terrible Chester hatte also wahrscheinlich nichts mit der Tatsache zu tun, dass Robertson eine Erscheinung war, sondern mit der Aura des Bösen, die den Mann umgab und ihn sowohl im Leben wie im Tod charakterisierte.
Aus all dem folgte, dass ich den lebendigen Robertson zum letzten Mal gesehen hatte, als er sein Haus in Camp’s End verließ, kurz bevor ich das Schloss knackte, hineinging und die schwarze Kammer fand.
Seither hatte er mich verfolgt, und zwar voll Wut – so als würde er mir die Schuld an seinem Tod geben.
Nun war er zwar in meiner Wohnung ermordet worden, musste jedoch wissen, dass nicht ich der Täter war. Schließlich hatte er seinem Mörder gegenübergestanden, als er aus einer Entfernung von nicht mehr als ein paar Zentimetern erschossen wurde.
Was er und sein Mörder in meiner Wohnung getan hatten, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich brauchte mehr Zeit und eine ruhigere Umgebung, um nachzudenken.
Vielleicht habt ihr erwartet, so ein aufgebrachter Geist würde im Badezimmer oder in der Kochnische auf meine Rückkehr lauern, um mich zu bedrohen und zu schikanieren, wie er es in der Kirche getan hatte. Das wäre ein Irrtum, denn dann hättet ihr vergessen, dass die ruhelosen Seelen, die in dieser Welt verweilen, das tun, weil sie die Wahrheit ihres Todes nicht akzeptieren können.
In der Nähe ihres toten Körpers herumzuhängen ist meiner Erfahrung nach das Letzte, was sie wollen. Nichts ist eine deutlichere Erinnerung an den Tod als der eigene verwesende Kadaver.
In Gegenwart ihres leblosen Fleisches spüren Geister stärker den Drang, mit dieser Welt abzuschließen und in die nächste weiterzuwandern, ein eigentlich zwingendes Gefühl, dem sie sich entschieden widersetzen wollen. Vielleicht würde Robertson den Ort seines Todes irgendwann aufsuchen, aber nicht, bevor seine Leiche entfernt und auch der letzte Blutspritzer weggeschrubbt worden war.
Das kam mir sehr entgegen. Das ganze Spektakel, das der Besuch eines zornigen Geists mit sich brachte, konnte ich jetzt gar nicht brauchen.
Der Vandalismus in der Sakristei war also nicht die Tat eines lebenden Menschen gewesen. Die ganze Zerstörung war von einem missgünstigen, erzürnten Toten verursacht worden, der sich wie ein Poltergeist aufgeführt hatte.
Früher waren bei einem derartigen Wutanfall in meiner Wohnung bereits eine neue Stereoanlage, eine Lampe, ein Radiowecker, ein hübscher Barhocker und mehrere Teller zu Bruch gegangen. Ein Grillkoch kann es sich nicht leisten, solche Typen zu Gast zu haben.
Übrigens ist das einer der Gründe, weshalb meine Möbel vom Sperrmüll stammen. Je weniger ich besitze, desto weniger kann ich verlieren.
Während ich die Flecken auf Robertsons schwabbeliger Brust und seinem schlaffen Bauch betrachtete, zog ich rasch die erwähnten Schlüsse und bemühte mich dann, sein Hemd wieder zuzuknöpfen, ohne direkt auf die Schusswunde zu blicken. Bis meine morbide Neugier mich überwältigte.
Das Loch in der weichen, fleckigen Brust war klein, aber ausgefranst, es war feucht – und auf eine Art und Weise, die ich nicht sofort verstand und auch nicht weiter erforschen wollte, ziemlich seltsam.
Die an meinen Magenwänden hochkriechende Übelkeit beschleunigte ihre Attacken. Ich fühlte mich an einen Tag erinnert, an dem ich als Vierjähriger mit einer gefährlichen Grippe fiebrig und
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